Berichte von 04/2018

18April
2018

Von Glücksgefühlen und echter Angst, vom Überwinden und Aufgeben, vom Mond und Mars

Baru und ich wollten wieder ein bisschen was von Island sehen und das tolle Wetter ausnutzen, deshalb machten wir vor etwas mehr als einer Woche unseren zweiten kleinen Roadtrip. Diesmal war ich die Fahrerin, denn sie konnte das Auto ihrer Gastfamilie diesmal nicht haben, aber ich durfte 'unseres' benutzen. Eigentlich hasse ich ja Auto fahren, hauptsächlich, weil ich kaum Fahrpraxis habe, da ich in Deutschland so gut wie nie dazu komme Auto zu fahren. Irgendwie ist es immer im Ausland so, dass ich da viel mehr Auto fahre, wie ja in Neuseeland auch schon :D und letztendlich war's ja dann gar nicht schlimm, da es quasi wie auf Landstraßen zu fahren ist. 


Unser erstes Ziel war der Mývatn (wörtlich übersetzt Mückensee). Dort sind wir als erstes zu einem Ort gefahren, der heißt Dimmuborgir. Das ist ein Lavafeld, d.h. überall liegen verstreut große und kleinere Lavafelsen und Brocken, es ist darin ein bisschen wie ein Labyrinth. Die bizarren Felsformationen erinnern auch etwas an verfallene Ruinen von Burgen und Türmen. 

 


Ganz in der Nähe ist der Hverfjall Krater. Ein perfekter runder Krater, wie man ihn sich
bilderbuchhaft vorstellt. Man kann sogar raufkraxeln und hat dann von dort eine wunderbare Sicht auf den schönen See (der aber noch fast ganz zugefroren war) und die Berge, die wie vereinzelte Inseln aus dem weißen Schneemeer herausragen. Und man kann natürlich auch in den Krater blicken, doch da sieht man nicht so viel, es geht halt etwas in die Tiefe und dort unten liegt dann ebenfalls Schnee.

Krater; roadtrip mit Baru


Anschließend fuhren wir zur Grotte Grjótagjá. Das ist wie eine Höhle, die in die Erde runter geht und dort unten ist dann ein kleiner See, also eine heiße Quelle mit ungefähr 40 Grad heißem Wasser. Deshalb ist die Höhle auch voller Wasserdampf und von außen sieht man es aus den Felsspalten dampfen. Ein magischer Ort, wenn man sich die ganzen anderen Touris wegdenkt. 


Unsere nächste und letzte Station lag noch etwas weiter, das war der Dettifoss. Ein unglaublich beeindruckender Wasserfall. Man steht oberhalb des breiten Flusses und sieht, wie die ganzen Wassermassen hinabfallen und somit den kräftigen, breiten Wasserfall bilden. Es ist sogar der Leistungsstärkste Europas! Es ist auch total laut da. Einer der tollsten Wasserfälle, die ich in Island und auch generell überhaupt gesehen habe. 

Dettifoss


Auf dem Rückweg hielten wir noch am Góðafoss. Der Isländer der mich vor einigen Wochen beim Hitchhiken mit nach Akureyri genommen hat, hatte da ja auch kurz für mich gehalten, aber ich wollte noch mal hin. Das ist für mich auch einer der schönsten Wasserfälle hier. Besonders im Winter finde ich die Wasserfälle so faszinierend, wenn riesige dicke Eiszapfen von den Felsen herunterhängen. Das sieht fast märchenhaft aus. Neben unseren "Stationen" war natürlich auch schon allein die Fahrt eine "Sehenswürdigkeit" für sich. Einfach unglaublich schön und sooo weiß alles ringsum! Ich fühlte mich teilweise fast wie am Nordpol - zumindest so wie ich mir den Nordpol vorstelle :D 
Erst am späten Abend waren wir wieder zurück, erschöpft und glücklich nach einem tollen Tag. 


Auch letzte Woche war es sehr ereignisreich für mich. Von Dienstag bis Sonntag war meine Gastfamilie nämlich in Polen, somit konnte ich die Zeit nutzen, um noch mehr von der Umgebung zu entdecken, denn sie waren so lieb und haben mir das Auto anvertraut.

Mittwochmorgen fuhr ich los, wieder in Richtung Mývatn. Ich wollte eine Wanderung im Krafla Gebiet machen. Krafla ist ein Vulkansystem und ein Teil dieses Systems ist der aktive Vulkan Leirhnjúkur, wörtlich übersetzt 'Lehmgipfel'. Die letzte Ausbruchserie des Krafla-Systems war mit Unterbrechungen von 1975 bis 1984 und der lehmige Boden des Berges ist sogar immer noch etwas warm, sodass dort auch kein Schnee liegt. Das heißt überall ringsum ist es weiß, nur der Leirhnjúkur ist braun/ockerfarben, teilweise etwas rötlich oder grellgelb (vom Schwefel). Das sieht richtig toll aus. Außerdem dampft es noch überall aus Spalten! 
Es gibt auch einen kleinen milchig grünen Tümpel, in dem es vor sich hin köchelt. Natürlich riecht es auch nach faulen Eiern - also nach Schwefelwasserstoff.
Man geht an großen schwarzen zackigen Lavafelsen vorbei und denkt sich, man ist grad auf dem Mond unterwegs oder so. Ein faszinierender Ort!

bin ich auf dem Mars gelandet?


Manchmal sind auch flache Lavasteine zu sehen, wo noch richtig gut das Ringmuster erkennbar ist. Dadurch kann ich mir total gut vorstellen, wie die damals noch flüssige Lava langsam geflossen ist und dann nach einiger Zeit erstarrte. Ich kann das nicht so gut beschreiben, aber hab versucht es auf einem Foto rüber zu bringen.  


Es gibt eine Wanderung, die von dort in Richtung Mývatn geht, die ich gehen wollte. Die ist auch eigentlich markiert, mit so kurzen Holzpflöcken im Boden. Nur war es halt "blöderweise" immer noch Winter und durch den knöchel- bis kniehohen Schnee einfach nicht mehr zu sehen. Außerdem war offensichtlich noch niemand anderes diese Strecke gewandert, sonst hätte ich mich ja an den Fußspuren orientieren können. Ich irrte also bisschen im Schnee herum, bis ich endlich den Einfall hatte, dass ich ja GPS mit meinem Handy hätte und dass meine offline-Map (eine App auf dem Handy - wie Googlemaps, nur braucht man dafür kein Internet) teilweise auch Wanderwege anzeigt. Tatsächlich konnte ich so auf der Map den Weg sehen, den ich gehen wollte und durch das GPS immer wieder sicher sein, dass ich noch in die richtige Richtung laufe. Es ging jedenfalls ständig nur durch den Schnee, teilweise sank ich sogar bis zum Knie ein. Ich war dort ganz alleine, einfach nur umgeben von unberührtem Schnee und diesen Lavafelsen. Der ständige Kontrast von schwarz und weiß ist auch irgendwie faszinierend. Die Sonne schien und es war so still und friedlich um mich herum! Ich fühlte mich als wäre ich völlig abgeschieden und weit entfernt von jeglicher Zivilisation. Das war natürlich nicht so, aber schon das Gefühl davon war unbeschreiblich. 


Ganz in der Nähe vom Leirhnjúkur liegt der Víti, ein vulkanischer See am Zentralvulkan Krafla. Normalerweise hat der eine tolle blaue Farbe (also anderes blau als normale Seen), aber er war leider noch voll zu gefroren und von Schnee bedeckt. Deswegen beschloss ich noch mal, im Sommer hin zu kommen.

Ein paar Kilometer entfernt liegt Hverir, ein Hochtemperaturgebiet. Das ist immer noch Teil des Krafla-Systems. Es ist eine große flache unbewachsene Fläche, ockerfarben und sehr schlammig - willkommen auf dem Mars! 
(Warum zwei Mädels, die ich da gesehen habe, mit blendend weißen Turnschuhen versucht haben, da rum zu laufen, ohne die Schuhe zu beschmutzen und warum man überhaupt solche Schuhe in Island dabei hat verstehe ich immer noch nicht :D ).
Überall befinden sich verstreut kleine und größere (Schlamm-)Tümpel, überall blubbert und kocht es, und überall dampft es irgendwo raus. Natürlich liegt auch wieder der beißende schwefelige Geruch in der Luft. 


Inzwischen war es schon später Nachmittag geworden und ich machte mich auf zum Campingplatz am Mývatn um mein Zelt endlich mal einzuweihen. Ich war die Einzige in einem Zelt - Überraschung :D. Ich schlief eigentlich ganz gut, muss ich sagen! Bis auf meine recht kalten Füße am nächsten Morgen (war aber nicht unangenehm oder so in der Nacht) hab ich überhaupt nicht gefroren, es war sogar angenehm warm. Aber gut, ich hatte auch mein Merinoshirt an + Fleecejacke + dünne Daunenjacke. Und zwei Leggings. Aber trotzdem bin ich froh, mir so einen guten Schlafsack gekauft zu haben und v.a. liebe ich die Isomatte. Die ist nämlich zum Aufpumpen und dadurch so dick, dass ich sogar gemütlich auf der Seite liegen kann! Als ich am nächsten Tag (Donnerstag) um 7 Uhr aufstand, sah ich dass die Pfützen sogar gefroren waren...

Zelt einweihen


Vom Campingplatz aus gibt es eine Wanderung zum Berg Hlíðarfjall, die ich machen wollte. Der Weg zu diesem Berg war ganz schön und angenehm zu gehen. Irgendwann kam ich dann am Fuße des Berges an und dachte mir, okay, der Weg geht jetzt wahrscheinlich noch irgendwie um den Berg herum um dann geht es rauf, denn die Seite, die ich vom Berg sah, war ziemlich steil.
Aber der Weg ging nicht um den Berg herum. Der Weg führte direkt auf den steilen Hang zu! Anfangs ging es ja noch, es gab einen schmalen Pfad nach oben. 

Doch sehr bald gab es keinen Pfad mehr. Ich wusste nur durch die kleinen Holzpflöcke, dass es tatsächlich da hoch gehen muss. 
Das Problem war: ich hatte keinen guten Halt auf dem lockeren Geröll - und die Steigung war bestimmt ca. 45°! Ganz langsam tastete ich mich vorsichtig voran und war wieder mal froh, meine Wanderstöcke dabei zu haben (am Tag davor, wo ich so viel durch den Schnee gelaufen bin, waren sie mir auch schon eine große Hilfe, indem ich mit ihnen testen konnte, wie tief der Schnee ist bzw. einige Male konnte ich mich damit auffangen, wie verlängerte Arme). So ging ich Stück für Stück den Hang hoch und verfluchte diejenigen, die das als Wanderweg ausgegeben hatten - denn wie zur Hölle soll man da hochkommen und noch viel mehr: wieder runter?! Auf rutschigem lockeren Geröll nach unten zu gehen, v.a. wenn es so steil ist, ist ja noch schwerer als aufwärts! Als ich einmal nach unten sah, wurde mir schon etwas mulmig. Es war so steil!! Dann guckte ich nach oben und sah den nächsten Pflock und sagte mir: noch bis dahin. So ging das ein paar Male, sodass ich mich dazu überwand, noch weiter hoch zu gehen. Irgendwann traf ich auf Schnee, und stellte fest, dass es sogar leichter war darauf zu gehen. Denn so konnte ich seitwärts zum Berg Schritt für Schritt hoch gehen und meine Schuhe immer bisschen in den Schnee einsinken lassen, dadurch hatte ich einen besseren Halt. Aber als ich irgendwann wieder nach unten guckte, bekam ich echt Angst. Nicht mehr nur Schiss, sondern echte Angst. Ich fragte mich, wie ich bitte da wieder heile nach unten kommen soll?! 
Von unten sah ich oben so eine Erhebung und dachte, okay wenn ich dort bin, hab ich einen Blick auf die andere Seite des Berges. Aber als ich dort war, stellte ich fest, dass es immer noch ein ganzes Stück weiter durch den Schnee geht, bis man wirklich oben ankommt, und dass ich doch erst 3/4 geschafft habe. Ich fing an innerlich zu streiten. Noch weiter, oder nicht?!
Die Pro-Seite rief: " hey, jetzt bist du schon 3/4 den scheiß Hang rauf, das letzte Stück schaffst du auch noch!". Die Contra-Seite entgegnete ängstlich: "ja, aber es sieht immer nur nicht so weit aus, wenn man von unten hochschaut, aber es ist dann doch immer noch weiter als man denkt! Da würde ich sicher noch mal mindestens 20-30 min gehen! Und meine Fußgelenke tun schon weh vom seitlich gehen...". Pro dagegen: "ja schon, aber stell dir nur vor, wie stolz du nachher wärest es geschafft zu haben und nicht so kurz vorm Ziel aufgegeben zu haben! Und dann wirst du auch wenigstens mit ner geilen Aussicht belohnt. Sonst hat es ja gar nichts gebracht, schon so weit rauf gegangen zu sein. Das wäre dann umsonst gewesen!". Contra: "Nein, schau von hier hab ich auch schon ne mega Sicht auf den Mývatn und die Berge! Hammer!". Pro: "ja klar, aber von oben hättest du eben ne Sicht nach Süden, den Ausblick in die Richtung hattest du bisher noch gar nicht! Vielleicht kannst du sogar die Gletscher in der Ferne sehen!". Contra: "Naja, es sind einige Wolken da, also wahrscheinlich eher nicht." Pro: "Aber die Sicht nach Süden!!! Du siehst dann auch den Leirhnjúkur von oben, wäre doch mega! Und sonst bist du halt umsonst schon so weit raufgekraxelt...".  Contra: "Nein, nicht umsonst. Schon das bis hierher ist ne krasse Erfahrung und ein Abenteuer! Und es ist außerdem auch nicht schlimm aufzugeben. Beziehungsweise, es ist ja nicht aufgeben. Ich könnte es ja, aber der Blick von hier und dieses Abenteuer reichen mir auch so schon. Ich brauche den Gipfel nicht. Außerdem, was ist, wenn irgendwas passiert, das du nicht beeinflussen kannst, und du dann ausrutschst und runterkullerst?! Willst du wirklich deine Gesundheit und vielleicht sogar dein Leben riskieren, nur um sagen zu können 'ich war ganz oben' und um den Blick nach Süden gehabt zu haben? Ist es dir das wert?!". So stritten die beiden Stimmen in mir, eigentlich schon die ganze Zeit. Aber die Contra-Seite würde immer lauter. Immer öfter schrie sie zwischendurch: "ich hab Angst!". Ich blieb stehen. Ich hatte so ein Gefühl. Ich kann dieses gar nicht in Worte übersetzen, aber es veranlasste mich dazu, tatsächlich umzudrehen. Ganz vorsichtig und langsam machte ich mich wieder an den Abstieg. Immer wieder sah ich innerlich das Bild vor mir wie ich runterrutsche, schwer verletzt bin und mir niemand helfen kann. In dem Moment wollte ich nichts sehnlicher als einfach unten heil ankommen. Ich war so erleichtert und dankbar, als ich endlich wieder festen Halt hatte. Auf dem Weg zurück zum Campingplatz kreisten meine Gedanken. Hätte ich es doch wagen sollen? Ich wäre jetzt so stolz! Es ist schon irgendwie schade drum, da ich ja tatsächlich schon weit oben war. Ich hätte es sicher geschafft, es ging ja nur noch durch den Schnee und da hatte ich ja sogar einigermaßen Halt. Aber ich hatte eben dieses eine Gefühl. Dieses Bauchgefühl, dass es vielleicht besser ist umzudrehen. Und auf das Bauchgefühl sollte man hören, v.a. in riskanten Situationen. Wer weiß, vielleicht hat mich dieses Bauchgefühl davor bewahrt, dass mir was passiert wäre?! Ich weiß es nicht und es bringt auch nichts, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Auf jeden Fall war es die richtige Entscheidung. 


Freitagfrüh bin ich wieder losgefahren zum nächsten Trip. Zuerst bin ich zum Aldeyjarfoss gefahren & gelaufen. Um zu diesem Wasserfall zu gelangen, muss man etwa 50 km auf einer Schotterstraße fahren, ist also relativ weit weg von der Ringstraße und somit keine der Hauptattraktionen. Da die meisten Touristen nur ca. 2 Wochen oder so bleiben, haben sie vermutlich nicht die Zeit zu diesem Wasserfall zu fahren, wodurch ich dort ganz alleine war. Das war echt super und der Wasserfall ist auch sehr schön. Vor allem wieder die in Island altbekannten 6-eckigen Basaltsäulen. Die waren neben dem Wasserfall kerzengerade nebeneinander gereiht, wie Zaunpfosten oder so, als hätte das jemand so in den Stein gemeißelt.


Danach fuhr ich nach Ásbyrgi, das ist eine hufeisenförmige Schlucht. Die Sage erzählt, dass Odins achtbeiniges Pferd dort einen gigantischen Hufabdruck hinterlassen hat, nachdem es der Erde zu Nahe gekommen war (Odin ist der Hauptgott der nordischen Mythologie). Tatsächlich ist die Schlucht aber durch einen gewaltigen Gletscherlauf entstanden.
Wenn man in der Schlucht steht, ragen um einen herum senkrechte teilweise fast 100 m hohe Felsmauern hoch. Sie wirken wirklich wie Mauern! Aber irgendwie total faszinierend! In der Mitte der Schlucht befindet sich der Gesteinskeil Eyan. In der Schlucht selbst sind viele Bäume, was ja, wie schon mal erwähnt, eher etwas Besonderes ist in Island. Hier in der Schlucht sind sie gut geschützt vom oft so starken Wind. Jetzt allerdings trugen sie noch keine Blätter, aber im Sommer ist alles grün und soll unglaublich schön sein, daher möchte ich im Sommer noch mal kommen. 
Auf jeden Fall ist dieser Ort irgendwie irre! Es gibt dort auch einen Campingplatz, aber der hat noch nicht geöffnet. Ich hatte aber extra am Morgen schon angerufen und gefragt ob ich trotzdem einfach nur mein Zelt aufschlagen dürfe, und das durfte ich auch zum Glück. 
Was mir beim Einschlafen und Aufwachen auffiel: es gibt dort ganz viele Vögel, die ein wunderschönes Vogelgezwitscherkonzert aufgeführt haben! 
Am nächsten Vormittag bin ich den Eyan in der Mitte der Schlucht rauf gewandert, von dort hatte man eine tolle Sicht auf beide Seiten und die Spitze der Schlucht. Echt faszinierend (ich weiß, ich wiederhole mich...)! 


Inzwischen ist hier (bei meiner Familie) wieder full house. Ich bleibe vermutlich noch eine Woche hier und dann geht's weiter. Ich habe über workaway schon eine Schaffarm gefunden, auf der ich ca. 3 Wochen helfen werde. Im Mai bekommen die Schafe nämlich ihre Lämmer und da brauchen große Schaffarmen oft Hilfe. Das wollte ich auf jeden Fall mal erleben. Ich werde da wahrscheinlich ab dem 5. oder 6. Mai sein, d.h. ich habe etwa 2 Wochen davor noch Zeit, ein bisschen herum zu reisen. 

Vielleicht hat sich jemand mal gefragt, wie ich eigentlich mit den Kindern hier rede. Schließlich können sie kein Englisch und ich kann kein Isländisch! Aber eigentlich ist es gar nicht so schwer, wie man es sich vielleicht zuerst vorstellt. Ich versuche meine Emotionen oder das, was ich eben ausdrücken will, durch verschiedene Töne, Tonhöhen, Geräusche, Laute, mit Händen und Füßen und durch Mimik irgendwie wieder zu geben. Das geht beim Spielen auch eigentlich sehr gut. Es wird nur schwer, wenn ich eigentlich etwas Konkretes sagen möchte und das aber einfach nicht kann, da fühlt man sich manchmal so, als wären einem die Hände gebunden. Man kann halt nichts machen (wenn nicht grad die Eltern in der Nähe sind um zu übersetzen). 
Ólöf und ich machen manchmal ein kleines Lernspiel, z.B. wenn wir draußen sind. Dann deute ich z.B. auf den Stein und sag das englische Wort und sie das isländische. Oder als noch Schnee lag, zeichneten wir Bilder in den Schnee und sagten uns gegenseitig wie das entsprechende Wort heißt. So lernen wir beide spielerisch. :)
Aber mittlerweile verstehe (und sage) ich schon ein paar Wörter, die ganz oft im Alltag fallen und die ich quasi so nebenbei gelernt habe. Außerdem hab ich gleich von Anfang an, als ich hierher kam, angefangen mit verschiedenen Apps mir einen kleinen Grundwortschatz anzueignen - zumindest bin ich noch dabei. Ich hab schon einige Wörter gelernt. Aber ich bin natürlich noch weeeeit davon entfernt etwas zu verstehen, wenn andere Isländisch reden. Die reden auch einfach so schnell!! Und mit der Grammatik hab ich mich auch noch kaum beschäftigt, die ist nämlich ähnlich kompliziert wie die deutsche Grammatik, ich glaube sogar noch etwas komplizierter. Im letzten Eintrag hab ich ja schon erzählt, dass sogar Namen entsprechend der verschiedenen Fälle gebeugt werden. Dazu wollte ich noch etwas Interessantes ergänzen: wenn man seinem Kind einen Namen geben will, muss erst eine Behörde den Namensvorschlag erlauben! Es muss nämlich möglich sein, diesen Namen eben entsprechend zu beugen! 
Und noch einen spannenden Fakt über Namen: es gibt keine Familiennamen als Nachname. Sondern dieser setzt zusammen aus dem Vornamen des Vaters (traditionellerweise, manchmal wird neuerdings auch der Name der Mutter genommen) und "dóttir" bei Frauen (dóttir heißt Tochter) bzw. "son" (= Sohn) bei Männern. D.h. die Kinder hier heißen mit Nachnamen "Valsdóttir" und "Valsson". Oft werden Kinder nach ihren Großeltern benannt, dann heißt nämlich z.B. der Enkel mit Vor- und Nachnamen genau gleich wie der Großvater. 
Ich kannte dieses Namenssystem bisher noch gar nicht und bin auch geteilter Meinung, wie ich es finde. Einerseits find ich es schön, da einem durch den Nachnamen so die Beziehung zu einem Elternteil, meist der Vater, verdeutlicht wird und man sich dadurch vielleicht mehr bewusst ist, wo man herkommt. Auch von außen erkennt man dann sofort die familiären Beziehungen. Und es ist irgendwie individueller. Andererseits mag ich es bei Familiennamen, dass da wirklich die ganze Familie gleich heißt (meistens zumindest) und dadurch auch irgendwie so ein Zusammengehörigkeitsgefühl entsteht. Denn hier haben ja Eltern und Kinder meist immer verschiedene Nachnamen. Naja, wie auch immer. :D

Den nächsten Eintrag wird es vermutlich dann von der Schaffarm geben, bis dann - Leonie

07April
2018

Alltag in neuer Umgebung

Ich lebe nun schon 3 Wochen mit Dagný, Valur und den 4 Kindern Ólöf (9 J.), Kristján (6 J.), Nína (2 J.) und Ása (paar Monate alt). Außerdem noch mit einigen Pferden (ich glaube 25-30 oder so insgesamt, davon sind die meisten die ganze Zeit draußen auf den großen Feldern und ein paar werden geritten und sind im Stall), ca. 10 Schafen und einigen Hühnern. Wir wohnen 20 Kilometer entfernt von Akureyri, es ist eine wunderschöne Umgebung hier und jeden Tag bin ich aufs neue geflasht, was für eine geile Aussicht man vom Haus hat. Ich hab mich gut eingelebt in der Familie und fühle mich sehr wohl hier. 


Was ich so den ganzen Tag mache? Also ich stehe immer vormittags auf (zwischen 8 und halb 9), manchmal geh ich dann joggen oder mache Yoga oder so, dann mach ich meistens irgendeine Aufgabe wie z.B. Kinderzimmer saugen und vom Staub befreien, Fenster putzen (und die haben sehr viele sehr große Fenster...was aber ja auch geil ist weil man von eigentlich überall im Haus eine tolle Aussicht nach draußen hat) ...usw, solche Dinge halt. Manchmal lasse ich dann irgendwann noch die Pferde im Stall raus, miste die Boxen aus, fege den Stall...und kuschel mit der Stallkatze :) 
Oft dann noch ein schöner Spaziergang und um halb 5 kommt dann Valur und bringt die Kids von der Schule/vom Kindergarten. Wenn die nicht Freunde dabei haben oder selbst bei Freunden sind spiele ich oft dann mit ihnen bis es Abendessen gibt, oder ich helfe beim Abendessen oder koche selbst (typisch Deutsch z.B. Reiberdatschi oder früher bei uns ein beliebtes Kinderessen: Kartoffelbrei mit Spinat und Fischstäbchen).
Nach dem Essen (wir sind meistens spätestens um 8 fertig mit Essen, was ich ziemlich cool finde denn bei mir zu Hause fangen wir meist frühestens um 8 erst an) bringen Dagny und Valur dann die Kinder ins Bett und ich mache die Küche. 

Das ist zumindest so der grobe Alltag. Ich habe aber schon mehr erleben dürfen (manchmal unter der Woche, meistens dann aber am Wochenende oder in den Osterferien):
- einmal waren wir Ski fahren, noch eben nachmittags nach der Schule, denn man muss ja nur ca 20 min zu dem kleinen Skigebiet fahren. Richtig cool. Auch mal was Neues beim Ski fahren das Meer zu sehen, das habe ich eh noch nie erlebt dass das Skigebiet fast auf Meeresspiegelhöhe ist!


- Ausreiten! Das erste mal für mich auf einem Islandpferd geritten...die Islandpferde hier in Island haben 5 Gangarten und nicht nur Schritt, Trab und Galopp - viel mehr weiß ich darüber jetzt auch nicht, ich kann nur sagen, dass es wahnsinnig angenehm ist! Beim Traben (in Fachsprache heißt die Gangart aber nicht Trab sondern Tölt) sitzt man automatisch super ruhig im Sattel und hoppst nicht rum oder so - man könnte auch dabei entspannt aus einen Glas trinken. :D


- Familienspaziergang in ein kleines Miniwäldchen in der Nähe. Das ist deshalb besonders, da es sehr wenige Wälder und "wilde" Bäume gibt in Island. Das ist mir schon in der ersten Woche sehr aufgefallen: vom Süden die Ostfjorde hinauf in den Norden gibt es meist wenn überhaupt nur kleine steppenartige Büsche oder Geröll oder flaches Land...aber kaum Bäume (außer auf privaten Grundstücken angepflanzt) oder gar Wälder. Das ist auch tatsächlich das einzige was ich so bisschen vermisse hier. Deswegen geh ich auch sehr oft in den Mini-Wald hier spazieren weil ich es so schön da finde. Wenn ich darin bin fühlt es sich gar nicht so an, als ob ich gerade in Island wäre :D


- Radelausflug mit Valur und den zwei großen Kids in Akureyri und danach haben wir noch Vals Bruder und dessen Familie besucht (ja ich habe absichtlich "Vals" geschrieben und nicht "Valurs" denn im Isländischen werden auch die Namen in den verschiedenen Fällen gebeugt sodass es von jedem Namen 4 verschiedene Versionen gibt ...so ganz hab ich das aber noch nicht verstanden alles. Isländisch ist echt kompliziert :D ). 
Apropos Familie, ich hab schon echt viel Familie gekennen gelernt, also Geschwister von Dagny und Valur (und deren Kinder), deren Eltern (Dagnys Eltern wohnen nur ein paar hundert Meter weiter) ...und immer werde ich gleich aufgenommen, schon fast wie ein Teil der Familie behandelt - das freut mich sehr, das find ich schön und bin dankbar dafür.
Außerdem fällt mir auf, dass irgendwie fast die ganze größere Familie mehr oder weniger in und um Akureyri lebt! Ich habe das Gefühl, in Deutschland ist es üblicher, dass sich die Familien mehr zerstreuen...man hat dann Verwandte in den verschiedensten Ecken, während hier fast alle in der gleichen Umgebung bleiben. Liegt vermutlich auch an der Größe des Landes bzw. speziell hier jetzt, dass Akureyri halt die zweitgrößte Stadt Islands ist nach Reykjavik und man dann gleich zum studieren und arbeiten da bleibt.


- Bootsfahrt! Dagnys (ich weiß leider nicht wie man ihren Namen grammatikalisch richtig beugt :D ) Eltern besitzen nämlich ein tolles Motorboot, in dem sogar theoretisch 6 Leute schlafen könnten, und damit sind wir dann ein bisschen übers Meer gesaust. 


- einmal hat Dagnys Mama mich mitgenommen zu einem kleinen Canyon weiter im Landesinneren, den eigentlich niemand kennt, außer die Menschen die hier eben wohnen. Das liebe ich daran so im Kontakt mit "locals" zu sein, denn man bekommt oft Möglichkeiten Dinge zu sehen oder zu lernen, die man sonst nicht erfahren hätte. Z.B. ist Dagnys Mama auch mal mit mir durch Akureyri gefahren und hat mir ganz viel über die interessante Geschichte der Stadt erzählt oder kleine "Insider" Geschichten wie z.B. dass in dem einen Haus da drüben früher eine Bäckerei war und der Enkel von denen ist unser jetziger 'Nachbar', den ich sogar auch schon kennen gelernt habe. 
- ich habe mir mal das Auto ausgeliehen und bin nach Akureyri gefahren und hab die Stadt zu Fuß erkundet. Der alte Teil gefällt mir sehr gut, v.a. da ich einfach diesen Stil der Häuser liebe. Übrigens ist das älteste Haus hier von 1795!

Akureyri

 

Und eins meiner Highlights: ich habe das erste Mal in meinem Leben Nordlichter gesehen!!! Ich war einfach nur geflasht. Wahnsinn, wie diese leuchtend grünen Schleier sich da so schnell über den Himmel bewegen und ständig neue Muster bilden...Und sie waren sogar relativ stark, sodass die Farbe teilweise lila wurde! Ich war so glücklich dass ich sie noch zu Gesicht bekommen hab! (insgesamt 2 mal)

Polarlichter


Es war übrigens die ersten zwei Wochen relativ warmes Wetter (also so 5 Grad oder so) und es fühlte sich so an als ob es jetzt Frühling wird. Anfang April kam dann aber noch mal ein Wintereinbruch, es schneite viel und es gab 20cm hohen Neuschnee. Was aber eigentlich super schön aussieht! Mir wurde eh erzählt, dass man oft denkt jetzt kommt der Frühling und es wird wärmer und dann schneit es doch noch mal viel. Und das wechselt sich dann paar Mal ab und geht oft noch bis in den Mai so weiter.

Die Familie eines Freundes von Kristján hat auch ein deutsches Mädchen bei sich, wir haben über Facebook Kontakt aufgenommen und an einem Sonntag haben wir einen kleinen Roadtrip durch den Norden Islands unternommen (sie hat das Auto ihrer Gastfamilie bekommen)! Das war ein  toller Tag mit wahnsinnig vielen unfassbar schönen Blicken. Ich weiß gar nicht wohin mit den ganzen Eindrücken :D 
Zuerst sind wir zum Hvítserkur gefahren, das ist ein Fels, der ausschaut wie ein gebeugter Troll. Die Saga erzählt, dass der Troll vom Tageslicht überrascht wurde und dadurch versteinert wurde. Es sah richtig cool aus und war auch insgesamt eine wunderschöne Umgebung. Überhaupt - es ging nicht hauptsächlich um das "Ziel" wo wir hin wollten, schon die Fahrt allein hätte sich gelohnt weil man ständig diese schöne Landschaft um sich hat und man oft geile Ausblicke bekommt. "Der Weg ist das Ziel" ,passt da eigentlich ziemlich gut! 
Danach sind wir zu einem natürlichen hot pool gefahren (Grettislaug). Also der Pool ist schon vom Menschen gemacht, aber sehr natürlich gehalten (keine künstliche Wanne oder so sondern nur Steine die das Becken innen auskleiden, Moos schwimmt herum...). Aber das Wasser ist heiß durch eine nahe Geothermalquelle. Da sind wir natürlich reingehüpft, denn das kann man sich nicht entgehen lassen: direkt am eiskalten Meer, umgeben von Bergen und Schnee in einem heißen Pool chillen. Geil. [Apropos Pool, auch wir hier bei Dagný und Valur haben einen hot tub auf der Terrasse, hier kann man dann abends die Sterne beobachten während alles rundherum kalt und verschneit ist, so cool!] 
Auf dem Rückweg haben wir dann einen Abstecher gemacht und sind die Küste der Halbinsel Tröllaskagi entlang gefahren. Ich kann nur sagen: wooow. Einfach die gesamte Strecke entlang kamen wir nicht aus dem Staunen! Fjorde, Berge, steile Felshänge. Außerdem sehr abgelegen und einfach wunderschön. 
Wir waren fast 12 Stunden unterwegs insgesamt aber es war ein geiler Tag!

roadtrip mit Baru


So, das war's jetzt erst mal wieder von mir! 
Leonie :)

06April
2018

Daumen raus macht Freu(n)de!

Jetzt bin ich schon fast einen Monat hier in diesem wunderschönen Land.
Als beim Flug in der Ferne etwas kleines Weißes in Sicht kam spürte ich wieder das Kribbeln das ich auch hatte als ich in München am Flughafen war, als ich es noch gar nicht realisieren konnte, dass es jetzt wirklich losgeht. Und als ich im Flugzeug Island erblickte konnte ich es eigentlich auch noch nicht glauben. Am Ende des Fluges geht die Route einen kleinen Teil über Island - unter mir erstreckte sich eine riesige weiße Fläche mit Bergen, es gab keine nicht-weiße Stelle. Es fühlte sich an als ob ich über den Nordpol fliegen würde oder so. Mir fiel die Kinnlade runter (und sie blieb auch unten). Kurz darauf wandelte sich das Bild zu einer braunen von Flüssen durchzogenen Landschaft...auch das faszinierte mich, grad war doch noch alles weiß! Wie schnell sich das Landschaftsbild in Island ändern kann wurde mir in den folgenden Tagen noch deutlicher und das ist etwas was mich hier ständig fasziniert.


Nach der Busfahrt vom Flughafen in Keflavík nach Reykjavík musste ich noch mit den Stadtbussen irgendwie zu meinem Couchsurfing Host kommen. Nach ein paar Internetproblemen mit meinem Handy kam ich dann aber endlich um halb 9 abends bei Bergþór (Bergthor ausgesprochen) an. Das ist ein netter 50 jähriger Isländer, der mir das Zimmer seiner Tochter anbieten konnte, da diese zur Zeit nicht bei ihm lebt. Wir kochten und redeten noch ne Weile bis ich dann müde ins Bett fiel. Am nächsten Tag (Samstag) gingen wir mit seinem Hund Gassi und er zeigte mir die Umgebung, die ich sehr schön fand da er fast direkt am Meer in einer netten Wohnsiedlung wohnt.

Dann musste er weg und ließ mich bei ihm zu Hause aber gab mir auch den Schlüssel falls ich raus wollen würde oder so. Auch wenn der Kontakt ja über Couchsurfing ging wo man eigentlich schon erwarten kann dass dort vertrauenswürdige Menschen angemeldet sind, war ich so...keine Ahnung.. verblüfft..erstaunt (finde das richtige Wort nicht) dass er mir als ihm eigentlich völlig fremde Person so vertraut! Dafür bin ich echt dankbar. Das ist nicht selbstverständlich aber zeigt wie verbunden Menschen sein können auch wenn sie sich nicht wirklich kennen. Das sind so schöne Erfahrungen, die ich ja auch öfters in Neuseeland auch gemacht hatte. 
Naja, ich wollte dann auf jeden Fall noch nach Reykjavik fahren und mir die 'Innenstadt' anschauen (er wohnt so ca. 15km entfernt). Ich war aber zu geizig wieder den Bus zu nehmen und hatte auch einfach Lust mal wieder hitchhiken auszuprobieren. Das ist aber gar nicht so einfach in einer städtischen Umgebung, aber ich hatte trotzdem meinen Spaß. Irgendwann wurde ich auch tatsächlich ein paar Kilometer in Richtung Center mitgenommen, von dort versuchte ich mein Glück an einer Tankstelle indem ich Leute ansprach bzw. auf mein Papier deutete auf dem "Reykjavik Center" stand und fragend lächelte. Aber in der Stadt sind die Leute nicht so willig jemanden mitzunehmen, v.a. wenn ein Kilometer weiter ne Bushaltestelle ist. Verständlich auch irgendwie. Also beschloss ich einfach den Rest zu Fuß zu gehen, was dann aber doch länger dauerte als gedacht (2 std). Irgedwann war ich dann aber in der 'Innenstadt' angelangt und mir fielen gleich mal die bunten Farben auf, die die meisten Häuser haben. Auch der Stil der Häuser (der hier überall in Island vertreten ist) gefiel mir sehr. Ich lief einfach ohne Ziel umher und kam so auch zur bekannten Kirche Hallgrímskirkja. Naja, irgendwann abends war ich dann wieder bei Bergþór - auf dem Rückweg hab ich dann auch den Bus genommen. 


Sonntag Vormittag hab ich mich dann auf den Weg Richtung Süden gemacht, Bergþór ist mit mir noch zu einer guten Hitchhiking stelle gegangen (und ich hab festgestellt wie schwer mein Rucksack tatsächlich ist wenn man ne Weile damit geht...huiuiui. Ups. Aber ich hab mich eh schon total reduziert und eigentlich nur dabei was ich wirklich brauche! Sind trotzdem 21 Kilo oder so geworden...). Bergþór hat mir übrigens noch eine Pappe gegeben damit ich den Ort aufschreiben konnte wo ich hin wollte, sehr praktisch fürs hitchhiken, v.a. wenn man keine Ahnung hat wie man bitteschön die Namen und Wörter hier aussprechen soll (meistens jedenfalls). Außerdem schenkte er mir noch ne halbe Packung Fischchips, die er noch übrig hatte. Das sind einfach getrocknete Fischstücke und mittlerweile hab ich festgestellt dass das wohl ein normaler beliebter Snack in Island ist (was ja auch nicht verwunderlich ist wenn man fast überall das Meer um sich hat). Es klingt vielleicht nicht so prickelnd aber schmeckt eigentlich ganz gut!

Ich musste gar nicht lange warten, da hielt schon ein Auto, ein netter Isländer der viel über sein Land wusste und mit mir sein Wissen teilte nahm mich mit bis nach Selfoss. Kurz bevor er mich rausließ gab er mir noch seinen Rat mit das zu tun was man liebt und wobei man Spaß hat, egal wie unvernünftig/unrealistisch das vielleicht für andere scheint (sein Sohn möchte Basketball Profi werden, so kamen wir auf das Thema). Ich erwiderte dass das bereits mein Motto ist, sonst wäre ich gar nicht in Island sondern würde gerade vermutlich hunderte Molekülstrukturen zeichnen und biochemische Reaktionen auswendig lernen.
Das liebe ich am hitchhiken: man lernt immer wieder inspirierende Menschen kennen, die einem ein Stück ihrer Lebensgeschichte erzählen oder ihr Wissen/ihre Lebensweisheiten teilen. 

Ich musste wieder gar nicht so lang warten, da wurde ich von 3 gleichaltrigen Mädels aus den USA aufgegabelt. Die waren super lieb und ich hab mich gleich gut mit ihnen verstanden. So verbrachte ich dann noch den restlichen Tag mit ihnen. Wir fuhren zu einem Wasserfall (Seljalandsfoss), der wirklich sehr schön war. Ich war v.a. begeistert davon zum ersten Mal einen Wasserfall im Winter zu sehen, denn überall hängen lange große Eiszapfen runter und unten wo das Wasser aufkommt, hat sich ein großer Eisberg gebildet (wenn das Wasser, das runterkommt, gefriert). Sehr faszinierend! Wir sind dann noch bisschen dort rumgeklettert und fanden noch einen anderen bisschen versteckten Wasserfall.
Anschließend fuhren wir zum black sand beach. Dort gibt es - neben dem schönen schwarzen Sand logischerweise (übrigens entstanden durch Vulkanaktivitäten, Asche usw.) - eine große schöne Höhle. 
Die bizarren Basaltsäulen schauen einfach krass aus. Die sind dadurch entstanden, dass die Lava nur langsam abgekühlte und durch das Zusammenziehen dann 6-eckige Säulen entstanden sind. Diese Basaltformationen findet man überall in Island. 
Das Wetter war übrigens sehr schön, die ganze Zeit schien die Sonne. 
Wir verbrachten einige Zeit an diesem Strand, weil es uns so gut gefiel. Und ich dachte mir die ganze Zeit wie geil es eigentlich wäre dort da in der Höhle zu schlafen...die Mädels aus den USA und ich


Naja, irgendwann sind wir dann weiter in den nächsten kleinen Ort Vík gefahren. Dort gab es aber nicht so viel zu sehen. Es war mittlerweile schon halb 6 oder so und die Mädels mussten noch die ganze Strecke zurück nach Reykjavik fahren. Da ich nicht wusste wo ich schlafen soll dachte ich mir ich versuch es echt mal da in der Höhle am black sand beach! Die Mädels ließen mich da also wieder raus und machten sich auf den Rückweg. Es ist irgendwie immer wieder ein bisschen schade sich von den Leuten zu verabschieden bei denen ich mitgefahren bin. Außerdem war ich so froh&dankbar auch wie schnell man eigentlich in die kleine Gruppe aufgenommen wird!

Es war noch hell und noch jede Menge los. Denn das ist eigentlich ein recht touristischen Ort. Dort gibt es sogar ein Restaurant und in das hab ich mich gesetzt und gewartet bis es dunkel war und alle Touris gegangen waren. Inzwischen war übrigens ein richtig starker Wind aufgezogen. Mich hat erst mal der Wind fast weggepustet als ich aus der Tür ging und war mir meiner Sache plötzlich nicht mehr so sicher...aber was blieb mir jetzt anders übrig. Also ging ich los zur Höhle und hoffte dass mich niemand sieht. Die Höhle schützte zum Glück gut vor dem Wind, dadurch war es auch nicht so kalt. 

Als ich dort war musste ich erstmal lachen. Ich konnte es selbst gar nicht glauben dass ich das gerade tue! So ganz allein da zu sein an einem Ort wo tagsüber viele Menschen tummeln. Ich richtete mir mein kleines Lager ein: Isomatte + Schlafsack, that's it. Blöd war nur dass es an vielen Stellen von den Steinen tropfte und meine Isomatte etwas nass wurde...aber sonst war's perfekt. Ich lag dann da in meinem Schlafsack, alle Jacken und Hosen an die ich dabei hab, mir war nicht kalt, hörte das Meeresrauschen und war glücklich. Ich hab auch die ganze Nacht über eigentlich nicht gefroren, bisschen kühl wurde mir schon, aber nicht so schlimm. 

 Schlaflager  


Am nächsten Tag (Montag) packte ich mein Zeug wieder zusammen bevor es wirklich hell war, das war auch gut so denn schon bald kam der erste Fotograf vorbei und es folgten noch einige mehr.
Übrigens hinterließ ich natürlich alles so wie ich es vorgefunden hab, nahm meinen Müll mit - das ist selbstverständlich für mich wenn ich sowas mache. Denn eigentlich ist wildcampen in Island nicht erlaubt, es wird gelegentlich toleriert wenn man niemanden stört, nur eine Nacht bleibt, nicht gleich mehrere Zelte aufbaut und keinen Müll hinterlässt. Außerdem kann ich auf dem Sand am Strand auch keine besondere Flora und Fauna oder so kaputt machen. 
Jedenfalls kamen dann ab 8 Uhr immer mehr Menschen und irgendwann sprach ich 2 der Fotografen an ob sie danach Richtung Vík weiterfahren wuerden (was sie taten) und ob sie mich mitnehmen könnten (klar!). Sie machten noch ne Weile ihre Bilder und ich beobachte die Menschen, die Wellen und die vielen Vögel die über den Strand und die Felsen flogen. 


Um halb 11 oder so fuhr ich dann mit denen los, es waren 3 Kilometer. Sie fuhren aber nur paar Kilometer weiter bis nach Vík und wollten da ne Wanderung machen. Von Vík aus fing ich an an der Straße entlang zu gehen und den Daumen raus zu halten, das war aber anstrengend weil ich voll gegen den mega starken Wind gehen musste. Wenn eine noch stärkere Böe kam, musste ich sogar kurz anhalten weil es zu stark war. Es fuhren zwar einige Autos vorbei aber niemand nahm mich mit. Erst 45 min später hielt endlich ein italienisches Pärchen, oh war ich froh!


Auf der Strecke wurde der Wind sogar noch stärker, manchmal, wenn Schnee am Straßenrand lag, fegte der Schnee als dünner weißer Schleier über die Straße, das sah eigentlich ganz cool aus! 
Nach ca. einer Stunde Fahrt mussten sie woanders weiter als ich, also ließen sie mich in Kirkjubæjarklaustur raus. Es war mittlerweile mittags und ich hatte Hunger, also suchte ich mir ein Plätzchen und wollte porridge machen. Blöderweise passte mein Campingkochergestell nicht richtig auf die Gaskartusche (die mir Bergþór übrigens auch noch geschenkt hat weil er sie nicht braucht) sodass ich nicht kochen konnte. Also gab es eben nur Haferflocken mit Wasser. 

 


Dann machte ich mich weiter auf den Weg. Ich musste wieder ca ne halbe Stunde warten bis endlich ein Auto hielt. Und wer saß drin? Die 3 Italiener vom Morgen! Ihre Wanderung hatte nicht geklappt, deswegen sind sie weiter gefahren. Das war schon lustig. Ihr nächstes Ziel war ein Wasserfall (Svartifoss) in der Nähe des Öræfajökull (ein Gletscher, der Teil des Vatnajökull ist, der größte Gletscher Islands und zudem auch außerhalb des Polargebiets der Größte Europas), und da hab ich mich ihnen angeschlossen. Das war echt so cool, denn wenn ich die drei und auch die Mädels aus den USA nicht getroffen hätte, hätte ich vielleicht nicht die Möglichkeit gehabt diese Orte zu sehen, da diese ja teilweise ein paar Kilometer abseits von der Ringstraße liegen.
Auch der Svartifoss ist umgeben von Basaltsäulen und sah einfach toll aus. Außerdem musste man zu diesem erst mal ein Stück hinwandern und von oben hat man eine wahnsinnige Aussicht auf das rießige flache Land, das der Gletscher hinterlassen hat nachdem er nach und nach geschmolzen ist. 


Danach sind wir noch zu einem kleinen Ausläufer des Gletschers gefahren, das sah auch toll aus, v.a. das blaue Eis des Gletschers (das durch die starke Kompression des Eises entsteht, wenn alle Luftbläschen verschwunden sind)! 
Ich wusste, dass die 3 Italiener jetzt wieder zurück nach Vík fahren mussten, deswegen sprach ich da beim Gletscher ein (französisches) Pärchen an, ob sie Richtung Hof fahren wuerden. Das taten sie und nahmen mich netterweise mit. Von dort wurde ich von zwei Jungs aus Ägypten mitgenommen. Auf dem Weg kamen wir an der Gletscherlagune Jökulsárlón vorbei. Da hielten wir aber nur kurz da es sehr windig war und auch etwas schneite. Wir erhaschten einen kurzen Blick auf den Gletschersee, in dem zwei mittelgroße Eisberge schwammen. 
Die beiden fuhren nach Höfn in ein Hostel und ich überlegte mir mitzukommen. Denn ich beschloss nicht draußen zu campen, da der Wind wirklich stark war und ich sogar ne Warnung von meiner wetterapp bekommen hatte, dass in der Nacht Windstärken bis zu 90 km/h erreicht werden können. 
Ich hatte dann eine Idee. Und zwar bin ich ja bei workaway angemeldet und schaute nach ob es da Hosts gibt, die es in Höfn oder Umgebung gab. Ich fand 3, schrieb sie an und erklärte meine Lage (dass ich eigentlich campen wollte aber der Wind ist zu stark und ob ich vielleicht in deren Garten campen dürfte wo es windgeschützter ist). Eine sagte mir tatsächlich zu und es kam sogar noch besser. Sie betreibt nämlich einen Homestay und ein Zimmer war eigentlich für diese Nacht gebucht aber die Leute haben sich kurzfristig entschieden nicht die Nacht noch zu bleiben und somit konnte ich in das Zimmer! Kostenlos konnte ich also in einem warmen Zimmer in einem gemütlichen Bett schlafen, was für ein Glück! Ich war soo froh!!

 

An der Gletscherlagune Jökulsárlón gibt es noch den Diamant Beach, zu dem ich eigentlich noch wollte. Also beschloss ich am nächsten Tag noch mal ein bisschen zurück zu hitchhiken. Als ich ankam fing ein heftiger Schneesturm an, die Flocken flogen waagrecht an mir vorbei! Ich wollte gerade über die Brücke um zum Diamant Beach zu gelangen, da hielt ein Auto mit 3 jungen Frauen aus Thailand und fragten ob sie helfen könnten. Ich verneinte dankend und meinte, dass ich eigentlich nur da über die Brücke wolle, aber sie meinten, ich solle schnell ins Auto steigen, es wuerde zu stark schneien, sie wuerden mich rüber fahren. Aber irgendwie fuhren sie in die entgegengesetzte Richtung - zuerst dachte ich, sie suchen vielleicht ne gute Stelle zum Umdrehen aber irgendwie fuhren wir immer weiter und ich wollte dann auch nicht mehr sagen dass ich eigentlich in die andere Richtung wollte, da sie wirklich so lieb und nett waren und ich auch so froh war nicht mehr draußen zu sein... außerdem hatte ich schon von der anderen Seite aus gesehen dass am Diamant Beach kaum und nur ganz kleine Eiswürfel lagen deswegen war es mir dann einfach egal. Denn das besondere am Diamant Beach ist eigentlich dass dort ganz klare Eisbrocken am Strand rumliegen. Ich hätte das schon echt gerne gesehen aber ich dachte mir ich komm einfach wann anders wieder, ich will das jetzt nicht erzwingen. 
Also fuhr ich bei den Thailänderinnen mit was sehr spaßig war. Sie fuhren bis nach Höfn und von dort aber wieder zurück. Ab Höfn wird der Verkehr weniger, denn die meisten Touristen (alle die ich bis dahin kennengelernt hatte) bleiben nur eine Woche in Island und fahren in der Zeit den Süden bis Höfn ab, aber nicht weiter da es dann den Osten rauf geht. 


Deswegen musste ich dann auch ne halbe Stunde warten bis wieder ein Auto kam. Es war mittlerweile auch schon fast 4 Uhr und ich war kurz davor einfach in das Hostel in Höfn zu gehen. Aber dann hielt doch noch ein Franzose, mit dem ich dann bis in die Nähe von Djúpivogur fuhr. Die Fahrt war wahnsinnig schön, die Straße ging an Fjorden entlang, an schroffen Bergen vorbei, die Aussicht war zu jeder Minute der Fahrt einfach wunderschön und es wurde immer weißer und winterlicher. Da das Wetter immer noch mies war (starker Wind) beschloss ich einfach auch in das Hostel zu gehen. Als Ausnahme sozusagen, denn schon allein ein Bett in einem Mehrbettzimmer kostet 45€. 

Am nächsten Tag (Mittwoch) fuhr ich mit Renaud - so heißt der Franzose - noch weiter, denn er wollte einen Abstecher machen abseits der Ringstraße. Die Straße war allerdings voller Schnee (bestimmt 10 bis 20 cm, teilweise noch mehr). Das wurde eine rutschige und aufregende Angelegenheit und ich war eigentlich die ganze Zeit angespannt da es nicht selten auch rechts den Berg runter ging zum Meer. Er hatte das aber gut gemeistert, ich war froh, dass ich nur Beifahrer war. Aber es hat sich dennoch gelohnt, denn die Blicke die wir bekamen waren einfach so schön! 

   

Bei Reyðarfjörður ließ er mich dann raus und ich musste zum Glück nicht lange warten da hielt ein - Reisebus! Aber mit keinen Reisenden drin! Der Busfahrer war echt nett und es war ne coole Fahrt nach Egilstaðir. Von dort wurde ich dann wieder von 3 Mädels aus den USA mitgenommen. Inzwischen war die Landschaft zum winterwonderland geworden, es sah aus wie im tiefsten Winter. Ich hatte mir schon einen Campingplatz ausgeguckt zu dem ich wollte, doch die Mädels mussten vorher abbiegen und ließen mich an einer Abzweigung raus von der die nächste Stadt 100 km entfernt war! Ich war umgeben von weißem Nichts und auf der Fahrt schon hatten wir ne Weile keine Autos mehr gesehen. Ich war etwas nervös ehrlich gesagt. Aber dann kam doch ein Auto und nahm mich mit, juhu! Und es stellte sich heraus dass er (ein Isländer) bis Akureyri fährt, das war ja mein Ziel! Nur hätte ich nie gedacht, dass ich es noch an diesem Tag erreichen würde!

Während der Fahrt fing es wieder an zu schneien, der Wind war immer noch ziemlich stark und bließ den ganzen Schnee vom Straßenrand auf die Straße, auf der sowieso schon Schnee lag. Wir konnten nur langsam fahren teilweise und ein paar Mal schlitterten wir auch bisschen. Aber der Isländer ist es gewohnt bei solchen Bedingungen zu fahren und deswegen fühlte ich mich trotzdem einigermaßen sicher. Aber an einer besonders schlimmen Stelle sahen wir dann plötzlich einen Camper neben der Straße im Schnee stecken! So schnell kann's also gehen. Der Isländer bei dem ich mitgefahren war, half denen Hilfe zu organisieren, dann setzten wir unsere Fahrt fort. Die Landschaft war wieder der Hammer auf der Fahrt.
An zwei Touristenspots hielt er sogar für mich kurz an: in Hverir, einem Geothermalfeld, hier dampft es überall aus dem Boden und Schlammpfützen köcheln und blubbern vor sich hin. Krass. Aber ich will da noch mal hin um bisschen länger da zu sein und mir das noch mal genauer anzuschauen. 
Außerdem hielt er noch an dem geilen Wasserfall Góðafoss, der sah wirklich mega schön aus, v.a. auch wieder mit den großen Eiszapfen und so weiter. Am Mývatn sind wir nur vorbei gefahren aber da gibt's viel zu sehen und erleben, will ich auf jeden Fall noch Mal hin.
Um 6 Uhr kamen wir dann schließlich in Akureyri an, das ist übrigens die zweitgrößte Stadt Islands, aber für deutsche Verhältnisse eher eine Kleinstadt. 

Godafoss   


Warum war Akureyri eigentlich mein Ziel? 
Also. Die Nichte der Frau des Cousins meiner Mutter (mehrfach ums Eck haha) wohnt hier mit ihrer Familie. Ich hab schon ein paar Wochen vor Island Kontakt mit ihr aufgenommen und ich darf nun hier mit wohnen und helfe dafür im Haushalt, mit den Kindern und mit den Tieren. Hier bin ich jetzt schon seit fast drei Wochen aber über die Zeit hier mach ich einen eigenen Eintrag. 

Das war jetzt ja auch wirklich ein ewiger Blogeintrag! Aber schon in der kurzen Zeit hab ich so viel erlebt und gesehen, ich weiß gar nicht wohin mit den ganzen wunderbaren Eindrücken! Und ich bin jetzt schon ganz verliebt in dieses Land. 
Ich melde mich bald wieder um weiter zu erzählen, bis dann! :)
Leonie