Berichte von 05/2018

24Mai
2018

Über 'meine' erste Geburt und den schlechtesten Mai seit 100 Jahren

Wie schnell die Zeit doch immer vorbei geht... Ich bin doch gefühlt gerade erst hier auf der Schaffarm angekommen! Aber tatsächlich bin ich jetzt schon mehr als 3 Wochen hier und bleibe wahrscheinlich auch nicht mehr so lang, deswegen wird es jetzt Zeit, ein bisschen zu erzählen.

Ich lebe hier mit Silja und Þórður in einem kleinen,  eher älteren, teilweise auch ein bisschen  "runtergekommenen" Haus in Barðaströnd, das ist der südlichste Küstenstreifen der Westfjorde und etwa 30 Min. von Patreksfjörður, dem nächsten Dorf, entfernt. Die beiden haben zwei Söhne (20 und 22 J.), diese leben aber nicht mehr hier. Ich schlafe im ehemaligen Zimmer eines der Söhne.

Silja und Þórður besitzen außer den ca. 100 Schafen (deren Fleisch sie verkaufen) und einigen Hühnern (deren Eier sie auch verkaufen) außerdem ein Guesthouse mit zwei Wohnungen, in denen Touristen meist eine Nacht bleiben (Ferðaþjónustan Móra Guesthouse). In direkter Umgebung sind ein paar weitere Häuser (ein Nachbar, der auch dauerhaft hier lebt und ein paar Sommerferienhäuser von Isländern und eben das Guesthouse). Einen Kilometer entfernt liegt dann das Schafhaus und der Hühnerstall - also nicht so wie ein 'klassischer Bauernhof', zumindest nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte. War aber dann natürlich auch okay so. 

der Schafsstallim StallHühnerstall


Die Umgebung ist sehr schön, in einem kleinen Tal gelegen und von tollen Bergen umgeben - und das Meer ist auch ganz nah. Auf der anderen Straßenseite ist sogar ein kleiner natürlicher hot pool, von denen es ja viele in Island gibt. Von meinem Fenster aus ist ein schöner Wasserfall zu sehen, man braucht ne halbe Stunde, um dorthin zu gelangen, ziemlich cool.



Da ich ja früher als geplant gekommen bin, hatte die "lambing season" noch nicht begonnen, d.h. in der ersten Woche hatte ich gar keine Aufgaben im Stall. Was aber während meiner gesamten Zeit hier zu meinen Aufgaben gehörte, war, nachdem die Gäste abgefahren waren, Betten ab- und wieder zu beziehen, Staub zu saugen und Boden zu wischen. Ich war erst nicht so glücklich damit, schließlich hatte ich ja bei Dagny + Familie schon genug Putzarbeit gemacht und hatte eigentlich eher jetzt mit "Farmleben" und "Farmarbeit" gerechnet und weniger mit dem Putzen. Doch mittlerweile ist das auch in Ordnung für mich. 
Eines der Häuser hier muss renoviert werden, das ist ein Projekt, an dem Silja und Dotti arbeiten (Dotti ist Þórður's Spitzname und ich nenn ihn nur so, da ich mir seinen richtigen Namen oft nicht merken/ richtig aussprechen kann). Dort hab ich auch immer wieder etwas mitgeholfen, z.B. die Decke neu gestrichen. Ein anderes Projekt war es, ein weiteres Guesthouse wieder auf Vordermann zu bringen (Fenster putzen etc.). An Nicht-Regentagen gab es auch immer wieder Gartenarbeit. Sämtliche Aufgaben, die ich jetzt aufgezählt habe, beziehen sich auf die gesamte Zeit und nicht nur auf die erste Woche. 

Am 6.Mai wurden die ersten zwei Lämmchen geboren (am häufigsten sind es Zwillinge und Drillinge, eher seltener Einzelkinder). Die erste Geburt überhaupt, die ich miterleben durfte! Das war schon irgendwie schön zu sehen, wie dieses noch nasse und am Anfang kurz dampfende (:D) zarte Wesen seinen ersten Atemzug macht und schon 10 Min. später versucht, sich auf seine wackeligen Beinchen zu stellen, die die ganze Zeit wegrutschen. Und wie die Mama ganz fürsorglich das Baby abschleckt. 

frisch geborenschön kuschelig

Wichtig ist, dass die Lämmer mit beiden Vorderbeinen zuerst rauskommen, gefolgt vom Kopf. Oft liegen sie irgendwie falsch, sodass Silja oder Dotti dann helfen müssen, indem sie mit der Hand im Bauchinneren das Lamm richtig positionieren und dann rausziehen. Manchmal liegt das Lamm zwar richtig, aber das Mamaschaf hat keine Kraft mehr, sodass das Lamm dann auch rausgezogen werden muss. Dabei durfte ich einmal helfen, die Beine waren schon halb draußen und ich hab das Lamm dann noch vollends rausgezogen. Das war etwas ganz Besonderes für mich! 

Weil eben oft Komplikationen entstehen können, müssen Silja und Dotti ca. jede Stunde bzw. alle zwei Stunden zu den Schafen schauen, um zu sehen, ob alles okay ist, oder ob sie helfen müssen. Auch in der Nacht. Da wechseln die beiden sich dann immer ab. Es hätte keinen Sinn gemacht, wenn ich eine Nachtschicht übernommen hätte, denn ich, als total Unerfahrene, kann nicht einschätzen, wann eine Geburt möglicherweise Komplikationen bereitet, und ab wann man eingreifen und helfen sollte. 

Nicht alle Mütter schaffen es, genügend Milch zu geben. Diese Lämmchen füttere ich dann mit der Flasche, das ist sehr süß und eine Aufgabe, die ich sehr genieße. 

Lämmchen fütternund kuscheln :)


Das Mamaschaf und seine frisch geborenen Lämmer kommen nach der Geburt in eine Einzelbox. Mit der Zeit wurden immer mehr Einzelboxen belegt und irgendwann dann auch im Gang durch "Trennwände" vorübergehende Einzelboxen geschaffen. Es wurde zu meiner Aufgabe, den Schafen in der Früh und manchmal abends Wasser zu geben. Dazu muss ich Wassereimer in jede der Einzelboxen bringen, viel Schlepperei und Hin- und Hergelaufe. In der Zeit, in der ganz viele Geburten waren, dauerte das Wasser-Verteilen eine dreiviertel Stunde bzw. manchmal sogar eine Stunde. Aber ich mag diese Aufgabe, denn es war ja eben genau die Farmarbeit, die ich mir ja erhofft hatte. Einfach im Stall mit den Tieren um mich herum vor mich hinarbeiten, und v.a. eine Aufgabe, die Silja und Dotti wirklich komplett an mich abgeben können. 


Mein Vormittag schaut also meist so aus: um 7 Uhr stehe ich auf, gehe ne Stunde spazieren oder joggen oder mach Yoga oder so, und zwischen halb 9 und halb 10 fang ich dann zu "arbeiten" an, also gehe zum Stall und verteile erstmal Wasser und füttere die Lämmchen. Anfangs, als es noch nicht so viel mehr im Stall zu tun gab, bin ich dann meist zurück und hab im Guesthouse angefangen oder so. Um 12/ halb 1 gibt es dann immer Mittagessen. 
Der Nachmittag ist dann nicht mehr so routiniert. Manchmal machen wir dann gleich im Guesthouse weiter oder an irgendeinem der anderen Projekte. Oder wir relaxen noch ein oder zwei Stunden, bevor es weiter geht. Für mich ist das ein bisschen blöd, weil ich mich so nicht richtig auf was einstellen kann und in Wartestellung bin... aber ich habe gelernt, die Zeit dann für mich auch sinnvoll zu nutzen und nicht nur verstreichen zu lassen. In der letzten Woche machte ich dann auch noch am späten Nachmittag/abends wieder das Wasser- und Milch-Programm oder half beim Füttern. 
Ich hab also keine wirklich geregelten Arbeitszeiten, wie ich es eigentlich erhofft hatte. Dadurch habe ich manchmal ca.  3/4 Std. gearbeitet, manchmal (eher häufiger) aber auch ca. 5/6 Std. Viele bei Workaway haben die Regelung, dass man am Wochenende frei bekommt (bei 4 - 5 Std. Arbeit). Aber das war hier auch nicht so, stattdessen nahmen mich die beiden manchmal, wenn das Wetter gut war, spontan auf nen kleinen Ausflug mit und zeigten mir ein bisschen was von der Umgebung. Das war auch super, dennoch war das insgesamt nur ein paar mal der Fall - deswegen hätte ich es lieber gehabt, wenn ich am Wochenende einfach frei gehabt hätte. Aber naja, alles halb so wild. 

Einmal fuhr ich mit Silja zu einem 10 km entfernten Wasserfall, der hinter einer natürlichen Felsmauer versteckt liegt. Wenn man dahinter geht, ist es fast wie eine eigene Welt. So schön da!



Ein anderes Mal fuhr Dotti mit mir zu einem anderen Wasserfall, hinter den man sogar gehen konnte. Von dort hatten wir einen Wahnsinnsblick die ganze Küste entlang, mit den Fjorden...wow! Außerdem ist dort noch durch niedrige Steinmauern der Grundriss eines Hauses und eines Schafstalles zu sehen, die dort einmal standen. Dotti kennt sogar den Mann, der dort lebte - als 14-Jähriger hatte er ihm einmal mit den Schafen geholfen! Wir liefen ein wenig dort rum und er zeigte und erzählte mir währenddessen eine Menge von damals. Ich liebe es, so kleine Geschichten zu erfahren, die ich nicht erfahren würde, wenn ich nicht im Kontakt mit den "locals" wäre.
Das Gleiche gilt natürlich auch für die Orte, die ich auf diese Weise zu sehen bekomme.

Unterwegs zeigte er mir noch ein paar andere interessante Stellen und am Strand schließlich sahen wir sogar Robben! Das war ein richtig gelungener Ausflug.

Ein andermal besuchte Silja mit mir einen Ort in der Nähe von Flókalundur. Und wieder eine sooo schöne und faszinierende Landschaft!

An einem Regentag nahm Silja mich mit nach Bíldudalur zu einem "icelandic monsters" - Museum. Viele Isländer glauben, dass sich in den Gewässern Monster tummeln (bzw. noch nicht entdeckte Tierarten) oder können zumindest nicht ausschließen, dass es sie nicht gibt. Das Thema wurde echt interessant und gut aufgearbeitet und gestaltet.

An einem Nachmittag hatte ich unerwartet Zeit und so machte ich mich auf zu einer spontanen Wanderung auf einen Berg, den man vom Wohnhaus aus sehen kann (Múlahyrna). Diese Wanderung ist nicht ausgeschildert oder in einem Reiseführer gelistet, es gibt auch keinen richtigen Weg oder Markierungen. Nur die Leute der Umgebung wandern ihn manchmal hoch. Deswegen war natürlich auch niemand außer mir unterwegs, was ich super fand und die Wanderung für mich nochmal besonderer machte. Von oben hatte ich wieder eine unglaubliche Aussicht entlang der Küste. Außerdem war es ein klarer Tag, sodass ich richtig gut Snæfellsnes sehen konnte (das kommt nicht all zu oft vor) - und auch viele der Inselchen. Auf der anderen Seite konnte ich steile, tief abfallende Klippen sehen, das wsr beeindruckend. Silja und Dotti konnten mich sogar mit dem Fernglas dort oben sehen! 



Dottis Familie wohnt nur 5 km entfernt - dort ist er auch aufgewachsen. Noch immer wohnen seine Mutter und zwei seiner Brüder (plus Familie) dort und betreiben eine große Schaffarm mit 900 Schafen! Wir waren öfters bei ihnen zu Besuch oder Dottis Neffen bei uns. Sie haben mir immer das Gefühl gegeben, irgendwie ein Teil der Familie zu sein, was ich total schön fand.

Eine Arbeit im Stall, die Dotti, Silja und ich oft zusammen machten, war das "Umziehen" von Schafen in eine andere Box (bisschen schwierig zu erklären...).

In Island ist es üblich, dass die Schafe den Winter über im Stall bleiben und im Mai/Juni, wenn alle Lämmer geboren sind, frei gelassen werden. Bis Ende September ziehen sie dann durch die Berge. Bevor schließlich der Winter wieder Einzug hält,  machen sich die Farmer auf den Weg und sammeln die Schafe wieder von den Bergen ein (etwas, was ich auch auf jeden Fall mal miterleben will, d.h. ich will irgendwann mal im September in Island sein!). 
Mitte Mai entließen wir zuerst die männlichen Schafe in die Freiheit Ein paar Tage später dann die weiblichen Schafe, die keine Lämmer erwarteten. Am 21.Mai schließlich ließen wir zum ersten Mal ein paar Schafe mit ihren Lämmern frei. So schön zu sehen, wie glücklich die Schafe auf der Wiese drauf los rennen! So wird jetzt Stück für Stück der Stall wieder leerer. Die Farmer wissen allerdings nie, ob sie tatsachlich all ihre Schafe wieder sehen. Es kommen immer ein paar nicht zurück bzw. werden nicht gefunden, da sie vielleicht ertrunken sind oder so... Ansonsten aber liebe ich die Vorstellung, dass sie den ganzen Sommer wie richtig wilde Schafe mit ihrer eigenen Herde, ohne Einfluss vom Menschen, in der Natur umherziehen können. 

auf dem Weg in die Sommerferien :D



Übrigens sagen die Leute des Wetterdienstes, dass dieser Mai einer der Schlechtesten seit 100 Jahren war! Kälter, mehr Niederschlag und Schnee als normalerweise! Na super - da hab ich mir ja das richtige Jahr ausgesucht :D ...aber eigentlich doch nicht so schlimm für mich, denn zum Glück hatte ich genau in diesem schlechten Monat hier ein festes Zuhause, ein sicheres Dach über dem Kopf. Aber es war schon echt nicht so dolle, das Wetter. In der ersten Woche gab es eigentlich ständig Schneeverwehungen. Es sah ziemlich winterlich aus - letztendlich war es das auch! Dann wurde es etwas wärmer (zwischen 3 und 10 Grad), d.h. kein Schnee mehr, aber dafür Regen. Es folgten ein paar Tage heftiger Wind/Sturm - ich konnte mich bei den Böen quasi in den Wind legen! Das hat ja schon eigentlich wieder Spaß gemacht :D
Dann gab es Mitte Mai mal ein paar echt tolle Tage, mit viel Sonnenschein und Temperaturen zwischen 10 und 15 Grad! An dem wärmsten Tag sogar 20 Grad in der Sonne - das zweite Mal in meiner Zeit in Island, dass ich nur im kurzärmligen T-Shirt draußen sein konnte. Etwas Besonderes, haha. Seit ner Woche liegen die Temperaturen aber wieder zwischen 3 und 10 Grad und nur ab und zu regnet es mal nicht. Außerdem ist es in der Landschaft fast überall immer noch relativ braun/okker farben. Einige Stellen werden aber schon leicht grün, aber normalerweise ist es Ende Mai um einiges grüner. Naja, zum Glück bin ich ja noch ne Weile in Island, sodass ich hoffentlich auch noch alles in ganz grün erleben darf. Naja, so viel zum Wetter. 

Man merkt aber trotzdem, dass es auf den Sommer zu geht. Denn es wird nachts gar nicht mehr wirklich dunkel, die komplette Nacht ist es eher so dämmrig. Und inzwischen verschwindet die Sonne auch erst um halb 11 nachts hinter den Bergen. Das ist wirklich komisch und ungewohnt, aber irgendwie auch cool. Allerdings brauch ich zum Einschlafen auf jeden Fall meine Schlafmaske!

mitten in der Nacht, um 3 Uhr oder so

Zu essen gab es hier viel Fleisch und Fisch (hab das Gefühl, das ist das Grundnahrungsmittel in Island, schon bei Dagny&Co gab es das ja fast jeden Tag), aber das Gute daran ist: das Fleisch ist von deren Schafen, d.h. es ist nicht nur ein qualitativ sehr gutes Fleisch, da keine Chemikalien, Medikamente etc., sondern für mich wichtiger: ich weiß, dass die Schafe ein schönes und vermutlich glückliches Leben hatten. Der Fisch ist frisch gefangen, d.h. kein Zuchtfisch oder so. Das find ich sehr gut. Außerdem produzieren sie eigenen getrockneten Fisch (das ist ja ein beliebter, aber nicht ganz billiger Snack in Island). Dafür werden die Fische an einer Schnur aufgehängt und 2-3 Wochen im Freien, aber überdacht, getrocknet. Und sie räuchern auch selber den Fisch oder das Fleisch in einer kleinen Blechhütte, das als "smoke house" dient. 
Der frische Fisch muss natürlich erst noch ausgenommen werden. Dotti hat mir gezeigt, wie es geht und mich machen lassen. Mir war echt ein bisschen schlecht, denn es sieht wirklich nicht appetitlich aus. Aber das gehört eben auch dazu - und wenn ich den Fisch esse (der übrigens seeehr lecker ist), dann muss ich auch sehen können (und es selber machen können), wie er zubereitet wird, oder?! 

getrockneter Fisch


So, und zuletzt noch eine weitere interessante Sache, die ich erfahren habe: es gibt verschiedene Wörter für die verschiedensten Formen von Gestein und Felsen bei den Bergen. Also nicht nur Umschreibungen, sondern eigene Vokabeln. Das hat entwickelte sich, als die Menschen anfingen, ihre Schafe im Herbst wieder einzusammeln, damit sie leichter darüber reden konnten, wo sie Schafe gesehen hatten oder wo sie schon waren etc. Find ich voll spannend. 

Für mich geht es bald wieder weiter, es sind nur noch 2 trächtige Schafe übrig. Insgesamt wurden 70 oder 80 Lämmer geboren (aber es gab auch ein paar Totengeburten)!
Die Zeit hier war sehr schön, hab Neues gelernt und erfahren dürfen, neue schöne Orte kennengelernt und eine beste Freundin unter den Schafen gefunden (das einzige Schaf, dass mich nicht nur beschnuppern wollte, sondern sich auch von mir richtig streicheln ließ - wir konnten richtig kuscheln! Das war so goldig!).
meine beste Freundin unter den Schafenmeine beste Freundin unter den Schafenmeine beste Freundin unter den Schafen


Ich bin etwas nervös, wenn ich daran denke, bald wieder "on the road" zu sein und kein sicheres Dach mehr über dem Kopf zu haben, aber ich freu mich auch sehr, wieder neue Teile Islands kennenzulernen und bin schon aufgeregt, was jetzt so die nächsten 1,5 - 2 Monate passieren wird. Denn wirklich planen kann ich nicht, da man nie weiß, ob das Wetter einem vielleicht wieder einen Strich durch die Rechnung macht. 
Aber es wird schon alles so kommen, wie es kommen soll!

Leonie

05Mai
2018

Nichts erwarten, mit allem rechnen

Mittlerweile bin ich gut auf der Schaffarm angekommen, etwas früher als geplant, da das Wetter mir nen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Das ist aber auch okay für mich. In diesem Eintrag erzähle ich, was ich so erlebt habe in der Zeit, als ich bisschen reisen konnte. 

Also, am Montagvormittag (23. April) ging's für mich von Akureyri aus los. Der Abschied von der Familie war nicht so schwer, denn ich komme ziemlich sicher noch mal zu ihnen, auch wenn nur für nen kurzen Besuch, denn ich hab ein paar Kleinigkeiten dort gelassen, die ich einfach nicht brauche. 
Mein Ziel war es, bis zur Halbinsel Snæfellsnes zu kommen, im Westen. Und ich hatte total Glück, denn gleich mein erster Lift hatte das Ziel Reykjavik, und da liegt die Snæfellsnes quasi auf dem Weg! Es war ein ca. 60 jähriger Isländer, mit dem ich mich auf der ca. 3 1/2 stündigen Fahrt viel unterhalten habe, fast hauptsächlich über religiöse und spirituelle Themen. Anfangs fand ich das noch spannend, ich rede gerne mit den verschiedensten Leuten über das, was sie glauben oder eben nicht glauben. Ich find das spannend, sich darüber auszutauschen und manchmal kann das auch sehr inspirierend sein. Aber nach einiger Zeit merkte ich, dass mir sein Denken fast ein bisschen zu extrem schien bzw. ich hatte das Gefühl, dass er mir fast seine Sichtweise "aufzudrängen" versuchte. 
Zeitweise dachte ich auch, dass er vielleicht einer Sekte angehören könnte. Tatsächlich hab ich jetzt im Nachhinein herausgefunden, dass er der Vereinigungskirche angehört.
Es war trotzdem auf jeden Fall ein sehr netter Mensch, mit gutem Herz. 
In der Nähe von Snæfellsnes liegt Húsafell, wo noch einer der wenigen Wälder Islands zu finden ist. Außerdem gibt es dort die Hraunfossar. Das ist der gemeinsame Name unzähliger klarer Quellen, die unter dem Lavafeld Hallmundarhraun heraussprudeln. Regen und Schmelzwasser der Gletscher fließen zwischen den Lavaschichten ab, treten als Grundwasser aus und bilden die Wasserfälle Hraunfossar, auf einer Breite von ca. 1 km. Da der Isländer Zeit hatte, schlug er vor, einen kleinen Umweg zu fahren, damit er mir die Wasserfälle zeigen kann. Da sagte ich natürlich nicht Nein. Wirklich sehr schön dort! 
 

Er erzählte, dass er in Húsafell, nur paar km weiter, ein Sommerferienhäuschen hat und er wollte nur kurz dort hin fahren, um zu sehen, ob dort alles ok ist. Húsafell ist ein richtiger Sommerurlaubsort, nicht nur für Touristen, sondern auch viele Isländer haben dort eben ihre kleinen Sommerhäuser. Aber noch war nicht viel los, sehr angenehm. Es war inzwischen schon 6 Uhr abends und ich überlegte, ob ich vielleicht einfach dort auf dem Campingplatz bleiben sollte. Dann hatte ich noch eine bessere Idee und fragte, ob ich in dem kleinen Vorgarten seines Häuschens mein Zelt aufschlagen dürfte und er hatte kein Problem damit - perfekt.  
Das Wetter am nächsten Tag war immer noch sehr schön, also machte ich dort eine Wanderung und nachmittags hitchhikte ich dann nach Borgarnes im Süden, kurz bevor die Halbinsel Snæfellsnes anfängt. Dort gibt es einen Campingplatz, der - wie die meisten Campingplätze - erst im Mai oder Juni offiziell öffnet. Dafür darf man dort kostenlos bleiben, aber die Toiletten und Wasseranschlüsse sind natürlich auch noch geschlossen. 
 

Am Mittwochvormittag gabelte mich ein super liebes Paar aus Italien mit ihrem Campervan auf. Ihr Plan war es, die Südseite der Halbinsel entlang zu fahren, bis um die Spitze, dort irgendwo zu schlafen und auf dem Weg Halt an den verschiedenen "Sehenswürdigkeiten" zu machen. Klang super, also verbrachte ich einfach den ganzen Tag mit ihnen. Es war ein sehr schöner Tag - sowohl vom Wetter her, als auch von den Orten, die wir sahen. Schon allein die Straße an der Küste entlang zu fahren lohnt sich, es ist einfach soo schön! 

Es gibt dort einen Strand, an dem man eine freilebende Robbenkolonie beobachten kann! Das war toll. Das erste Mal hab ich ja freilebende Robben in Neuseeland gesehen, es ist jedes mal wieder beeindruckend. 
 

In Buðir schauten wir uns eine der ältesten hölzerne Kirchen Islands an (von 1848). 
älteste hölzerne Kirche
 
Außerdem gingen wir zu einer wirklich beeindruckenden Spalte in der Felswand, genannt Rauðfeldsgjá. Die Spalte ist sehr schmal und ein Mensch sieht darin winzig aus. Man kann sogar hinein gehen, das war genial. 
 
 

Unsere nächste Station war eine kleine Höhle (Sönghellir), die an sich nicht soo besonders ist, aber dafür die Umgebung viel mehr. Einfach fantastisch. Eine wilde, unberührte Landschaft und ein hammer Ausblick die ganze Südküste der Snæfellsnes entlang.  
 
Der Zipfel im Westen der Halbinsel ist der Nationalpark Snæfellsjökull, benannt nach dem gleichnamigen Vulkan, der dort sein rundes, weißes (schneebedecktes) Haupt präsentiert. Den Berg sieht man aber schon eigentlich fast die ganze Fahrt an der Südseite der Halbinsel entlang (wenn keine Wolken ihn einhüllen).
Der Nationalpark besteht eigentlich nur aus großem flachen Land, bedeckt mit einem Lavafeld und ein paar Kratern. Einerseits ganz schön trist, aber andererseits auch total beeindruckend, gerade weil man eben nur von flachem Lavaland umgeben ist. 

Nach ein paar weiteren schönen Aussichtsorten kamen wir abends in Hellissandur an.
Dort blieben wir auf dem noch geschlossenen und daher kostenlosen Campingplatz. Es war auf jeden Fall ein toller Tag mit den beiden! 

Am Donnerstagvormittag machte ich mich wieder auf den Weg, wollte nun von Hellissandur (auf der Nordseite der Halbinsel, ganz außen im Westen) Richtung Osten, und auf dem Weg noch an ein paar Orten Halt machen. Das italienische Paar war noch in ihrem Campervan als ich los ging, ansonsten wäre ich vermutlich noch mal mit denen mit gefahren. Ich wollte aber eh erst mal nur ein paar Km weiter zum Wasserfall Svöðufoss. Ein sehr netter Isländer fuhr für mich sogar direkt dort hin, denn von der "Hauptstraße" ist der auch noch mal ein Stück entfernt. Es ist, wie eigentlich alle Wasserfälle in Island, ein echt schöner Wasserfall. Dennoch aber weniger spektakulär als andere und daher auch nicht so viel von Touristen überlaufen, was echt angenehm war. 

Von dort wurde ich zum ersten Mal von einer Deutschen im Auto mitgenommen, davor waren es entweder Isländer oder eben Touristen, aber bis dahin noch nie jemand aus Deutschland, sondern die meisten aus Italien :D und generell wurde ich insgesamt eher von Touris als von Isländern mitgenommen. 
Übrigens hab ich mal nachgezählt - ich wurde in den ersten Tagen in Island und jetzt vergangene Woche - also ungefähr in knappen 2 Wochen von insgesamt 35 Autos mitgenommen!! :D
Naja, das war jedenfalls auch ein deutsches Mädel (Melissa), ungefähr gleich alt wie ich, die auch über workaway auf einer Farm mitarbeitet und das Auto ausgeliehen bekommen hat - wir haben uns gut verstanden. Ich wollte eigentlich nur bis Grundarfjörður und dort ne Wanderung machen (zufälligerweise genau die gleiche, die sie auch vor hatte) - aber auf der Fahrt fing es heftig an zu schneien! Damit hatten wir natürlich überhaupt nicht gerechnet - irgendwie. Obwohl man ja eigentlich mit allem rechnen muss in Island. 
 

Ich entschied mich dann doch dafür, mit nach Stykkishólmur zu kommen, das ist der größte Ort auf der Snæfellsnes. Dort kam ich dann mittags an und den kompletten restlichen Tag hat es nur noch geregnet. Deswegen quartierte ich mich in der Tankstelle ein und verbrachte dort ein paar Stunden. Abends ging ich dann auf den Campingplatz. Der hat zwar natürlich auch noch geschlossen, aber ich entdeckte, dass sie dort trotzdem in der Winterpause einen kleinen Aufenthaltsraum mit Tischen und Stühlen und sogar Toiletten 24/7 offen haben! Ach, da war ich ja so dankbar, unfassbar toll von den Campingplatz-Betreibern!! 
Denn auch am nächsten Tag - Freitag - schneite/regnete es fast die ganze Zeit, so konnte ich also nicht so viel unternehmen, aber ich hatte wenigstens einen warmen Raum usw., in dem ich dann chillen konnte, vor allem abends war das super.

Es waren nur ein paar wenige andere Leute außer mir da, die aber in ihren Campervans schliefen. Freitagmittag hörte es dann aber auch mal für ein paar Stunden auf zu regnen und ich erkundete den Ort. Von einer kleinen Halbinsel aus hatte ich einen tollen Blick: in der Ferne Richtung Norden konnte ich die Westfjorde erkennen und im Meer sah ich unzählige kleine und mittelgroße, eher flache Inselchen! Es heißt, es gibt zwei Dinge, die unzählbar sind: die Sterne und die Inseln in der großen Bucht zwischen der Snæfellsnes und den Westfjorden. Und das ist tatsächlich so! Auf jeden Fall wirklich sehr schön. 

Zuerst war ich bisschen unglücklich, dass das Wetter so schlecht war. Aber letztendlich war es doch dann ein echt schöner Tag, denn es tat einfach mal gut, nicht so viel Programm zu haben und einfach auch mal zu relaxen. Es war wie eine kleine Verschnaufpause oder so. Außerdem konnte ich ohne schweren Rucksack unterwegs sein, weil ich mein Zelt stehen ließ und darin alles verstaut hatte. 

Für den Samstag hatte ich dafür aber wieder einiges vor, denn die Wettervorhersage sagte super schönes Wetter voraus, und behielt diesmal sogar Recht.
Morgens wurde ich von zwei netten Französinnen, die ich am Campingplatz kennengelernt hatte, ein Stück mitgenommen. Ich wollte zu einem kleinen Berg - eher Hügel -, den Helgafell (übersetzt Heiliger Berg). Der hat eine besondere Bedeutung bei den Isländern: der Hügel war in Sagazeiten so heilig, dass ältere Isländer ihn vor ihrem Tod aufsuchten. Heute glauben manche Einheimische, dass denjenigen, die den Hügel besteigen, 3 Wünsche erfüllt werden, sofern sie reinen Herzens sind. Dazu muss man aber vom Grab der Guðrún Ósvífursdóttir  (die Hauptperson in einer der Sagas)  hoch gehen, auf dem Weg nicht zurück schauen und kein Wort reden, dann hat man 3 Wünsche frei. Genauso hab ich das dann auch gemacht :) Von oben hatte ich dann eine tolle Sicht auf Stykkishólmur, die tausenden Inselchen und die schneebedeckte Gebirgskette die Halbinsel entlang. 
 
 

Diese bin ich anschließend wieder Richtung Westen gehitchkiked, also in die Richtung, aus der ich 2 Tage zuvor gekommen war. An einer Stelle zweigt eine kleine Schotterstraße von der Hauptstraße ab, macht einen Bogen um einen Berg, um danach wieder in die Hauptstraße zu münden. Quasi ein Umweg - damit ihr euch das besser vorstellen könnt, wie ich das meine, hier ein Bild von der Karte: 
 

Auf jeden Fall hab ich "meinen Autofahrer" gebeten, mich an genau dieser Stelle raus zu lassen, denn ich wollte diesen kleinen Umweg (ein paar Kilometer) zu Fuß gehen. Das war die beste Entscheidung! Es eröffnete sich eine ganz eigene Welt, ich war plötzlich umgeben von weißen fantastischen Bergen und Gipfeln und einem Lavafeld. Es fühlte sich an, als wäre die Hauptraße weit weit weg und als wäre ich irgendwo im Nirgendwo, abseits von Zivilisation. Ich liebe dieses Gefühl irgendwie. Es ist ein Gefühl von Freiheit, Frieden, Glück... - einfach überwältigend. 

Eine Momentaufnahme: 
Ich stehe da. Die Sonne scheint in mein Gesicht, keine Wolke ist zu sehen. Ich kneife die Augen etwas zusammen, denn es ist so hell mit dem ganzen Schnee um mich herum. Diese Berge. Ich kann mich kaum dran satt sehen. Es weht kein Wind (!). Mir ist sogar warm. Ich lausche. Und höre...nichts. Rein gar nichts, keinen einzigen Ton! Ich sehe weit und breit keine Menschen, ich bin ganz allein in dem Moment, der Moment gehört mir. Und diese Stille - es ist so still! Das Gefühl ist überwältigend, ich finde keine Worte, bin einfach nur glücklich und dankbar.  *Momentaufnahme zu Ende* 
 
glücklich!
 


Am frühen Nachmittag kam ich dann in Grundarfjörður an, genauer gesagt an dem Wasserfall Kirkjufellsfoss mit dem beeindruckenden Berg Kirkjufell im Hintergrund - eines der beliebtesten Fotomotive Islands. Und dementsprechend auch gut besucht. Trotzdem ein schöner Ort. Etwas weiter, ein bisschen abseits von der "Hauptraße" und Touristen, suchte ich mir dann ein nettes Plätzchen, um mir mein Mittagessen zu kochen. Das schafft auch immer Glücksgefühle in mir: mit einem unfassbar schönem Ausblick mit meinem Gaskocher irgendein einfaches Essen zubereiten und dann einfach auf dem Boden sitzen, die Sonne (wenn sie da ist) und den Blick genießen und essen. Besser geht's nicht. Apropos Essen, falls sich jemand vielleicht gefragt hat, was ich in meiner Reisezeit so esse...das lässt sich ziemlich schnell zusammenfassen: Haferflocken und Couscous. Ich hab auch entdeckt, dass die Kombination von beidem zusammen echt ganz gut ist. Ich hab keinerlei Gewürze oder Salz dabei, d.h. ich schmecke den ganz natürlichen "unverfälschten" Geschmack. Ist jetzt kein kulinarisches Highlight, aber irgendwie passt dieses einfache Basic Essen auch zu meinem Lebensstil während des Reisens. Manchmal gibt es aber auch Instantnudeln :D der Grund für diese Essensauswahl ist einfach: es ist schnell gekocht, verbraucht nicht viel Gas und es ist nicht zu groß und zu schwer. Denn ich muss ständig schauen, dass mein Rucksack nicht zu voll ist und ich spüre meinen Rücken schon nach etwa einer Stunde Rucksack tragen... 
 
 
Am späteren Nachmittag bekam ich dann wieder einen Lift, weiter Richtung Westen die Halbinsel entlang. Ich wollte zu dem wenig besuchten Wasserfall Svöðufoss, wo ich ja am Donnerstag schon gewesen war. Ich wurde an der "Hauptstraße" rausgelassen und lief das letzte Stück noch hin, wo ich dann endlich nach nem langen und irgendwie anstrengendem Tag ankam. Denn dort wollte ich schlafen. Ich hatte nämlich ein bisschen entfernt eine Ruine eines alten verlassenen und verfallenen Hauses entdeckt und dachte mir, das ist doch ein perfekter Ort zum Zelt aufschlagen, denn das gehört sicher niemandem mehr und stört bestimmt auch keinen, wenn ich da eine Nacht bleibe. Der Ort war echt cool, eine spannende Atmosphäre. 
 
 


Um halb 1 in der Nacht wachte ich plötzlich auf und war hellwach. Mein Zelt wurde gerade ordentlich durchgeschüttelt, der Wind heulte laut und das Zelt raschelte und wackelte. Ich dachte mir einfach nur tausend mal: "f***". Denn ich hatte mein Zelt auf ziemlich weichem Boden aufgebaut, die Heringe waren nur in die Erde geflutscht und ich hatte mir noch gedacht: "geil, das geht ja easy - ich mein okay, bei starkem Wind werden die wahrscheinlich dann rausgerissen aber es ist ja zum Glück total windstill". Ernsthaft, genau diesen Wortlaut hatten meine Gedanken - und dafür verfluchte ich mich jetzt. Es war beim Zeltaufbau so windstill gewesen, dass ich so ganz starken Wind einfach gaaar nicht erwartet hatte! Aber es ist Island, und hier ist es echt naiv, so zu denken. Ja, ich hab so ein Wetter überhaupt nicht erwartet, aber in Island muss man eben mit allem rechnen! Das hab ich jetzt noch mal deutlicher gelernt.
Jedenfalls versuchte ich mich zu beruhigen, dass das Zelt ja noch so steht wie es soll, ich wollte absolut da nicht raus. Außerdem dachte ich mir, dass ich dann sicher um ein paar Grad abkühlen würde und wollte nicht wieder kalt ins "Bett". Ich konnte aber auch einfach nicht schlafen. Ich zitterte, obwohl mir nicht kalt war, höchstens biiisschen, es war denk ich eher die Nervosität. Irgendwann um 3 Uhr hielt ich es nicht mehr aus - es hörte sich so an, als ob die Abspannbändel ständig gegen das Zelt schlagen würden. Also ging ich raus und stellte aber zum Glück fest, dass alles noch da war, wo es hingehörte. Ich spannte aber trotzdem noch mal nach und ging dann etwas beruhigter wieder ins Bett. Mein Zittern hatte dann auch aufgehört. 
Kurz drauf fing es auch noch stark an zu regnen, als würde jemand mit nem übergroßem Duschkopf direkt über meinem Zelt stehen. 
Aber ich fing an, mir als eine Art Mantra zuzureden "ich bin sicher, mir kann nichts passieren". Das hört sich jetzt alles glaub ich noch dramatischer an, als es wahrscheinlich in Echt war, aber es war einfach der erste echt starke Wind, den ich im Zelt erlebte, noch dazu alleine und etwa 1 Std Fußweg vom nächsten Mini-Ort entfernt, und mitten in der Nacht. 
Ich fing dann auch an zu zählen, etwa im Rhythmus meines Atems. Damit meine Gedanken nicht ständig kreisten, sondern sich quasi auf das Zählen konzentrieren konnten... Bei 700 oder so döste ich dann auch irgendwann ein...  In der Nacht hab ich trotzdem insgesamt kaum geschlafen. Und der Wind war am nächsten Morgen noch genau so da. Es war auch das erste Mal, dass ich in so nem starken Wind mein Zelt abbauen musste (und abends dann auch aufbauen), das war echt gar nicht so leicht. Aber ich war bisschen stolz, als ich es dann geschafft hatte und wusste, dass ich es schon irgendwie schaffen kann.
 
Ich wollte einfach nur noch nach Stykkishólmur zurück, der Weg klappte bis auf einer Stunde im Regen warten auch ansonsten ganz gut und ich kam mittags endlich wieder an "meinem Campingplatz" mit dem Aufenthaltsraum an. Da war ich echt erleichtert. Den Nachmittag verbrachte ich dann im kleinen Schwimmbad, hauptsächlich in den hot pots. 
Die sind ja Standard in Island, da man ja fast überall heißes Wasser von den geothermischen Gebieten bekommt. Auch Schwimmbäder gibt es in ganz vielen auch sehr kleinen Orten, das ist ein wichtiger Bestandteil der isländischen Kultur, ein sozialer Treffpunkt.  

Für den Montag war das Wetter ein bisschen besser angesagt, sodass ich vorhatte, wieder auf die Südseite der Snæfellsnes zu hitchhiken und dort ne Wanderung zu machen. Jedoch musste ich auf der Fahrt wieder mal spontan umplanen, denn es fing an zu schneien! Also fuhr ich bis nach Borgarnes (wo ich ja ein paar Tage zuvor schon gewesen war) und ging ins Landnahme Museum. Ein echt tolles Museum, interaktiv und beeindruckend gestaltet. In der einen Ausstellung lernte ich darüber, wie um etwa 800 n.Chr. die ersten Menschen (Wikinger) von Norwegen nach Island kamen und sich dort niederließen, echt spannend. In der anderen Ausstellung wurde die Egils Saga erzählt. Es gibt ja ganz viele Sagas, oft Geschichten über die Persönlichkeiten, die damals nach Island kamen. Die Menschen, über die es in den Sagas geht, gab es wirklich, aber ob dann tatsächlich alles genau so geschah, wie es erzählt wird, weiß man natürlich nicht. Aber die Geschichten basieren auf jeden Fall auf dem, wie es gewesen sein muss.

Eigentlich hatte ich ja geplant, erst am Wochenende bei der Schaffarm anzukommen. Ich wollte die wenigen Tage noch nutzen, um ein paar Wanderungen zu machen und ein, zwei Orte noch auf der Snæfellsnes zu besuchen, die ich bis dahin noch nicht gesehen hatte. Aber das Wetter war einfach verrückt: in einem Moment schien die Sonne, nur damit es kurz drauf einen Schneesturm gab. Und so wechselte sich das ständig ab. Also beschloss ich, am nächsten Tag (Dienstag) vormittags mich selbst davon zu überzeugen, wie das Wetter ist! Denn ich erfahre hier ständig, dass ich mich auf Wettervorhersagen nicht verlassen kann. Letztendlich ist das doch oft so, aber in Island halt noch mal irgendwie mehr. Da kann es ganz spontan mal alle 4 Jahreszeiten an einem einzigen Tag geben. Als ich dann am Dienstagmorgen aufwachte, fand ich mal wieder alles weiß um mich vor. Deshalb beschloss ich, Richtung Westfjorde zu trampen. Ich war gespannt, wie mir das gelingen würde, denn sobald man nämlich in den Westfjorden ist, viele Km entfernt von der gut befahrenen Ringstraße, wird der Verkehr relativ gering. Angeblich kommen nur etwa 10% der Touristen hier her - macht auch Sinn, denn die meisten haben ja nur 1-2 Wochen Zeit, und da reicht eben nicht die Zeit, noch diese Gegend abzufahren. Ich hatte also etwas Sorge, wie ich das mit dem Hitchhiken schaffen würde und stellte mich drauf ein, auf jeden Fall 2 Tage zu brauchen, auch wenn es eine Fahrt von nur etwa 4 Stunden ist. Aber wie so oft erlebte ich etwas, dass ich gar nicht erwartet hatte... und zwar nahm mich ein sehr netter Isländer viel weiter mit, als ich dachte, dass ich kommen würde. Er fuhr für mich sogar einen kleinen Umweg!
 
nochmal winterliches trampen
 
 
 
Und so kam ich schließlich doch noch an der Schaffarm an - ganz unerwarteterweise. Aber, wie hab ich es so oft letzte Woche erlebt: nichts Erwarten, mit allem Rechnen. 
 
Leonie