01Juni
2020

Raus aus der Struktur, treiben lassen

Ich hatte eigentlich vor, noch ein paar andere Orte im Süden zu erkunden. Aber die Wettervorhersage sagte, dass das Wetter nur noch paar Tage lang schön bleiben würde und dann war Regen angesagt. Ich wollte aber noch die 2-Tages-Wanderung vom Wasserfall Dettifoss nach Ásbyrgi machen und dafür war gutes Wetter wichtig. Daher schmiss ich mal wieder meine groben Pläne auf den Kopf und beschloss, mich direkt auf den Weg zum etwa 700km entfernten Wasserfall Dettifoss zu machen (es war schon am frühen Nachmittag, deswegen war mir klar, dass ich erst frühestens am nächsten Tag ankommen würde).

Das liebe ich z.B. am (alleine) Reisen. Ich habe einfach die völlige Freiheit, spontan meine Pläne über den Haufen zu werfen, muss mich mit niemandem absprechen. Und wann hat man schon in seinem Alltag die Möglichkeit, gleichzeitig total planlos und pflichtenlos zu sein, aber trotzdem irgendwie ein paar Ideen und grobe Pläne zu haben, die man aber einfach so wieder spontan umändern kann, ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen. Raus aus der Struktur, treiben lassen. Das verbinde ich u.a. mit dem Gefühl von Freiheit. Ich liebe dieses Gefühl und kenne es eigentlich nur von meinen Reisen.

Ich kam wirklich gut voran, musste gar nicht lange warten beim Trampen. Und ab Vík wurde ich dann von einem sehr netten, älteren Schweizer mitgenommen, der selber nach Egilsstadir musste. Perfekt, das ist fast die ganze Strecke bis zum Dettifoss! Da hatte ich wirklich Glück. An dem Tag kamen wir bis nach Höfn und blieben dort auf dem Campingplatz. Die Strecke war uuuunglaublich schön! Und vor allem war ich wieder so fasziniert, wie oft und schnell sich die Landschaftsbilder wandeln. Bei Vík war noch alles ganz grün, mit diesen typisch isländischen Bergen neben der Straße. Dann kommt eine Strecke, wo man umgeben ist von absolut flachem Boden, der mit schwarzem Kies/Geröll bedeckt ist. Die Gletscher haben dieses gewaltige Flachland hinterlassen und weil so geiles Wetter war, konnte man die Gletscherzungen in der Ferne auch perfekt sehen! Dann kommt wieder ein Abschnitt, wo man den Bergen viel näher ist, aber die Berge dort haben einen ganz anderen Charakter als bei Vík…
Die Atmosphäre, die durch den Wechsel von Wolken und Sonne entstand, war einfach der Hammer. Das kann ich gar nicht beschreiben. Diese Fahrt war tatsächlich schon eine Attraktion für sich!

Wir kamen auch noch an der Jökulsarlon Gletscherlagune vorbei. Dort gibt es ja einerseits den Gletschersee, in dem Eisberge schwimmen und eine Stelle am Strand, an dem kristallklare „Eiswürfel“ rumliegen (diamond beach). In meinen ersten Tagen auf Island war ich ja nur kurz am Gletschersee, denn es schwammen lediglich zwei mittelgroße Eisberge darin. Und ich wollte ja auch noch zum diamond beach, aber es war ein ekeliger Schneesturm und ich wurde ja dann von den 3 Thailänderinnen mitgenommen und kam dann nicht mehr zum diamond beach. Das war mir tatsächlich dann doch irgendwie die ganze Zeit ein Dorn im Auge, ich hätte dort halt schon noch ganz gerne hingeschaut. Und jetzt endlich hatte ich die Möglichkeit, noch dazu bei super duper Wetter. Zuerst schauten der Schweizer und ich zum Gletschersee und ich war total überrascht und überwältigt: der ganze See war voller kleiner und großer Eisberge, manche hatten eine ganz intensiv blaue Farbe und mit der Sonne war das einfach unglaublich schön! Ich hatte ja anfangs gedacht es würde Sinn machen eher im Winter dorthin zu kommen, aber natürlich ist das gar nicht so, wurde mir dann klar, denn im Frühling fängt der Gletscher ja an etwas zu schmelzen und dann erst brechen natürlich auch die Eisberge ab in den See. Deswegen war ich ja auch im März etwas enttäuscht, nur zwei gesehen zu haben.
Ich schlug dann auch noch vor, an den diamond beach zu gucken. Und es lagen tatsächlich einige kleine und mittelgroße Kristallbrocken herum. Sie funkelten im Sonnenlicht, was einen starken Kontrast bildete zum schwarzen Strand. Der Strand hat seinen Namen „diamond beach“ auf jeden Fall verdient. Ich war richtig happy, jetzt doch noch dort gewesen zu sein und auch noch bei dem tollen Wetter!

diamond beach

Am nächsten Tag fuhr ich dann mit dem Schweizer mit bis nach Egilsstadir. Und war wieder total geflasht. Die Fahrt war wieder FANTASTISCH!!! Die Ostfjorde sind einfach unfassbar schön. Wir haben auch öfters mal angehalten, um den Blick zu genießen. Das ist so cool in Island, man fährt einfach nur die „Hauptstraße“ entlang und entdeckt allein so schon so viele wundervolle Orte!
Außerdem war die Strecke ab Höfn auch gleich viel weniger touristisch, da die meisten Touris, die nicht so lang bleiben, eben nur den Süden bis nach Höfn abfahren und dann wieder zurück nach Reykjavík.
Ich bin die Strecke ja auch schon Anfang März gefahren, als noch Schnee lag. Ich fand es total toll, jetzt die gleiche Umgebung zu sehen, aber alles in grün!
Ich finde sogar, die Strecke zwischen Höfn und Egilsstadir ist der schönste Teil der Ringstraße und einer der schönsten Strecken, die ich auf Island, aber auch überhaupt gefahren bin (also, ich spreche nur von mit dem Auto befahrbare Straßen).

Ostfjorde

Nach Egilsstadir verändert sich die Landschaft wieder plötzlich drastisch und man fährt durch eine Art Mondlandschaft. Überall waren so spitz zulaufende „Schutthügel“…sie erinnerten mich an Kiesschutthügel auf Baustellen, nur eben in groß. Und keine Pflanzen waren zu sehen! Ich fühlte mich echt ein bisschen wie auf nem anderen Planeten oder so. Und es war eine ganz andere Atmosphäre als „damals“ im Winter, wo noch alles weiß war…verrückt.

Schon am Nachmittag erreichte ich dann meinen Zielort, den Wasserfall Dettifoss. Auch hier war ich total begeistert, den Unterschied zwischen Winter und Sommerlandschaft zu sehen. Denn beim Dettifoss war ich ja auch schon mal mit dem anderen Mädel Baru bei einem Tagesausflug, als ich noch bei der Familie in Akureyri gewohnt hatte.

unter dem Regenbogen

Beim Dettifoss befand sich ein Campingplatz. Doch ich war dann etwas überrascht, denn es handelte sich dabei im Prinzip einfach nur um eine kleine Fläche und eine Picknickbank und sonst nichts. Dort war auch niemand. Ich hatte gelesen, dass dort regelmäßig ein Ranger vorbeikommt und das Geld einsammelt und einen Trinkwasservorrat auffüllt. Aber der kam wohl nicht, und der Trinkwasservorrat war auch leer. Das Trinkwasser war das einzige, was mir ein bisschen Sorgen bereitete, denn ich hatte nur meine zwei aufgefüllten ¾ Liter Flaschen und ich brauchte das Wasser ja auch zum Kochen und hatte eine lange Wanderung am nächsten Tag vor, wo ich ja auch Wasser brauchte. Außerdem gab es halt auch absolut keinen Fluss (bis auf den großen vom Dettifoss, aber an diesen kam man nicht ran). Ich fand dann in der Umgebung einen Mini-„See“ oder anders gesagt, eine „Riesen-Pfütze“ oder so, also halt ein mit vermutlich Regenwasser und Schmelzwasser gefülltes Loch. Ach, das ist irgendwie schwer zu beschreiben. Jedenfalls benutzte ich das Wasser daraus dann zum Kochen, denn dabei kochte ich es ja eh nochmal ab, und somit war das Problem auch gelöst. Ich war übrigens die Einzige auf diesem „Campingplatz“. Und wegen der Wassersituation usw. fühlte es sich eher an wie Wildcampen, was ich natürlich viel lieber mag…. :)  

Leonie