02Juni
2020

Die längste Wanderung meines Lebens

Die nächsten 2 Tage Wanderung vom Wasserfall Dettifoss bis zur Hufeisen-Schlucht Ásbyrgi waren der Hammer, aber auch seeehr anstrengend. Am ersten Tag war ich ernsthaft 11 Stunden unterwegs, davon sicher 9-10 Stunden Gehzeit. Das war die längste Wanderung (an einem Tag) in meinem Leben bisher.
An einer Stelle gab es zwei Möglichkeiten zu gehen: entweder den leichteren Weg, oder den Weg durch die Hafragil-Schlucht, doch da musste man an einer Stelle ein Stück steiles Geröll mit einem Halteseil runterklettern. Und das wollte ich nicht unbedingt mit ca. 22 Kilo auf dem Rücken. Also ging ich den leichteren Weg durch die mondartige Landschaft. Es war total karg, wie eine Stein-Geröllwüste oder so. Es knallte die Sonne herunter und es war so warm, dass ich sogar im kurzen Tshirt laufen konnte! Die wenigen Tage, wo ich in Island mit kurzem Tshirt rumlaufen konnte, waren immer irgendwie was Besonderes. Irgendwann kam ich auf den Fluss Jökulsá zu, der in einer Schlucht unten im Tal verläuft, umgeben von den steilen Felswänden. Oben, wo ich entlang lief, war es eben so karg und okkerfarben, aber dann eröffnete sich der Blick auf dieses grüne Flusstal, wow! Ich war stark beeindruckt. An dieser Stelle kam der Weg von der Schlucht rauf, der durch ein Stück der Schlucht geführt hatte – der schwerere Weg, von dem ich vorher sprach. Jetzt, wo ich dieses grüne Flusstal sah, konnte ich nicht anders, als dort auch noch nen Abstecher hin zu machen. Also lies ich meinen großen Rucksack da oben und nahm nur meinen kleinen Rucksack mit und ging dann quasi den ganzen Weg durch die Schlucht, fast bis zu der Stelle, wo ich mich ein paar Stunden vorher für den leichteren Weg entschieden hatte. Dieser Part war eigentlich der schönste von der ganzen Wanderung, muss ich sagen. Einerseits weil alles so wunderbar grün war, und dort gab es auch noch einen kleinen bezaubernden Wasserfall!

Ich hatte auf dem Handy eine App, das war eine offline map, also eine Karte für die ich kein Internet brauchte, um sie anzugucken. Und wenn ich am Handy GPS einschaltete konnte ich auch sehen wo ich war und auch Routen berechnen (diese Funktionen hab ich sehr oft gebraucht in Island, hatte diese App auch schon in Neuseeland, die ist echt das Beste für Reisen! Sie heißt „maps.me“, für alle, die es interessiert). Sogar viele Wanderrouten sind dort eingetragen, so auch diese. Dadurch konnte ich sehen, wie viele Kilometer ich noch von dem Campingplatz entfernt war, zu dem ich wollte. Es wurde auch eine Zeitangabe berechnet, doch ich musste immer wieder feststellen, dass diese überhaupt nicht stimmte. Bzw. sie stimmte schon für die normale Gehgeschwindigkeit, doch sie bezog natürlich nicht die Bodenbeschaffenheit oder das Bergauf/ab Gehen mit ein. Aber am Anfang glaubte ich der Zeitangabe noch. Ich war von meinem Abstecher in die Schlucht zurück, der doch länger gedauert hatte als gedacht. Von dort hieß es, dass ich noch 3 Stunden brauchen würde bis zum Campingplatz. Nach einer Stunde schaute ich noch mal nach und sah, dass ich kaum weiter gekommen war und dachte mir „okay, ab jetzt noch ca. 3 Stunden“. Das gleiche wiederholte sich wieder eine Stunde später. Die Zeit verging total schnell und ich hatte auch das Gefühl dass ich schnell genug ging, aber auf der Karte kam ich einfach nicht voran. Und das war schon ein bisschen ein deprimierendes Gefühl. Aber ich ließ mich davon nicht zu stark beeinflussen und freute mich über diese wunderschöne Natur. Die Strecke ging immer den Canyon entlang, wo unten der Fluss floss. Vor allem war ich begeistert über das viele und intensive grün! Nach so langer Zeit nur weiß bzw. brauner Landschaft.

Es kamen auf der Strecke noch ein paar „Attraktionen“, teilweise kleine extra Abstecher, die ich aber alle machen wollte. Und an einer Stelle musste ich durch einen kleinen Fluss waten, bis zu den Knien durch eiskaltes Wasser. Aber das Gefühl danach in den Schuhen ist toll, denn dann sind die Füße so richtig schön warm.
Das einzige Problem war, dass sich inzwischen an der einen Ferse eine Blase gebildet hatte, die sehr weh tat. Dabei hatte ich extra Blasenpflaster drauf geklebt. Das machte das Gehen halt noch schwieriger… 

Abends um fast halb 9 kam ich dann ENDLICH an dem Campingplatz an. Krass! 11 Stunden unterwegs und den Großteil davon mit 22 Kilo auf dem Rücken. Wow, ich hätte vorher selbst nicht von mir geglaubt, dass ich das schaffen würde…aber ich habs geschafft. Und da war ich dann schon echt stolz auf mich. Der Campingplatz bestand eigentlich nur aus einer Wiese, einem Klo und Wasserhahn. Sonst war da niemand, auch kein Ranger zum Geld einsammeln oder so, da hatte ich ja schon wieder Glück.

Ich war komplett geschafft an dem Abend, wie man sich vielleicht vorstellen kann. Außerdem stellte ich fest, dass ich nicht nur ne enorm große Blase an der Ferse hatte, sondern ich mir diese Ferse sogar etwas blutig gelaufen hatte. Ich musste die Blase dann aufstechen, weil ich es nicht aushielt, so wieder in die Schuhe zu schlüpfen. Aber die Details erspar ich euch mal.

Trotzdem war es ein unglaublich toller Tag und eine absolut geile Wanderung. Vor allem, weil ich kaum Menschen begegnet bin! Und das Wetter war natürlich auch genial.

Der zweite Tag war auch toll. Dieses Mal war der Himmel zwar bedeckt, aber das war auch okay. Außerdem passte es jetzt irgendwie zum neuen Landschaftsbild. Nämlich waren da am Flusslauf überall so bizarre Lavagesteintürme…keine Ahnung wie ich das jetzt schon wieder beschreiben soll. Auf jeden Fall faszinierend. Ich hab mir auch bildlich vorgestellt, wie da einst die Lavamassen entlang geflossen sein müssen und dann durch die Berührung mit dem kalten Wasser zu diesen krassen Formen erstarrt sind…


Eine weitere Attraktion war der „Raudahólar“ (roter Hügel) und der Name beschreibt ihn auch perfekt. Sieht total cool aus! Der Teil der Wanderung bis dahin war echt toll, weil es so verschiedene Landschaftsbilder und Attraktionen gab, das war total spannend. Aber danach kam eine Strecke, die zwar auch schön war, aber landschaftlich jetzt nicht soo außergewöhnlich oder so. D.h. auch die Landschaft konnte mich dann nicht mehr von meiner schmerzenden Blase ablenken, sodass ich dann meinen mp3 Player rausholte und mir ein Hörbuch anhörte.

Und endlich kam ich irgendwann an dem Höhepunkt der Wanderung an, bei der Ásbyrgi Schlucht! Dort war ich ja schon im März, als ich mal einen Ausflug gemacht hab von Dagny &Familie aus. Das ist diese hufeisenförmige Schlucht, ich hab die ja schon mal versucht zu beschreiben (im Blogeintrag vom 18.04.2018). Damals war ich ja auf diesem Gesteinskeil Eyja in der Mitte der Schlucht. Dieses Mal kam ich an der oberen (runden) Spitze der Schlucht an.

Der Blick war jedenfalls unglaublich. Alles da unten war wunderbar grün, wow! Denn das letzte Mal war ja noch alles so grau-braun, weil die Bäume noch keine Blätter trugen. Ich hatte „damals“ ja beschlossen, dass ich im Sommer noch mal kommen möchte und war echt froh, dass ich das dann auch geschafft hab.

Diese Wanderung vom Dettifoss bis Ásbyrgi hat sich trotz ein paar Unbequemlichkeiten wirklich sehr gelohnt!

als ich im April dort war, war ich auf der "Felsinsel", die man hier ganz klein da hinten in der Mitte sieht

Leonie