29Juli
2019

Ab in den Süden

Bei Borgarnes gibt es diesen einen Berg (Hafnarfjall). Den hatte ich schon so bestaunt Anfang Mai, bevor ich zur Schaffarm aufgebrochen bin, als er von Schnee bepudert war. Dieses Mal war er natürlich ganz schneefrei und faszinierte mich irgendwie genauso. Unten am Fuße dieses Bergs sah ich die typisch isländischen buschartigen Bäume. Ich dachte mir, da find ich vielleicht ein Plätzchen zum Schlafen. Von Borgarnes bis dorthin brauchte ich eine Stunde zu Fuß. Also auf jeden Fall weit genug weg von der Stadt. Und tatsächlich fand ich dort auch eine Stelle, um mein Zelt aufzubauen!

Übrigens merkte ich deutlich, wie es immer wärmer wurde. In der Nacht konnte ich teilweise schon die Merinojacke weglassen (d.h. ich trug „nur noch“ mein Merino Shirt und die Fleecejacke). Untenrum trug ich aber immer noch meine dünne Leggins, meine dicke Leggins und meine dünne Wanderhose. Diese Schichten trug ich sozusagen 24/7, fast die gesamte Zeit, die ich in Island war. Und achja, ich musste nun nicht mehr noch zusätzlich meinen Schal um meine Füße wickeln im Schlafsack. Und den Schlafsack auch nicht mehr oben am Kopf so eng zusammenziehen, dass nur noch die Nase rausgucken konnte. Es wurde Frühling, juhu! (war ja inzwischen auch schon Juni) Der Frühling machte sich auch in der Natur bemerkbar. Eeeendlich fingen die Wiesen, Büsche und Bäume an grün zu werden, ich hatte schon so lange drauf gewartet! Es war ja alles so braun-gelb-ocker-farben bis dahin. Ich hab mich jedes Mal so gefreut, wenn ich wieder irgendwo diese frischen grünen Farben gesehen habe.

Übrigens empfand ich die Ringstraße, auf der ich ja jetzt wieder unterwegs war, als recht voll (also viele Autos), so nach dem Monat in den Westfjorden, wo wesentlich weniger los ist. Dabei ist die Ringstraße vielleicht ungefähr so befahren, wie deutsche Landstraßen (gut, kommt natürlich auch immer ganz drauf an wo…).

Ich bin dann von Borgarnes nach Reykjavík und noch weiter bis Selfoss getrampt. Die Strecke zwischen Borgarnes und Reykjavík war ich bis dahin noch gar nicht entlanggefahren, aber jetzt war ich wirklich einmal um die ganze Insel rum! Ohne einen einzigen Bus. Als wir an Reykjavík vorbeifuhren, war ich ganz erstaunt, wie groß die Stadt doch war! Zumindest kam sie mir so groß vor, nach 3 Monaten nur kleine Dörfer. Dabei ist Reykjavík mit seinen 123000 Einwohnern ja immer noch eine kleinere Stadt nach deutschen Verhältnissen…

Ich wurde von einem sehr netten älteren Mann mit nach Selfoss genommen. Er wohnt etwa 15 min von Selfoss entfernt und zeigte mir sogar später noch auf der Karte, wo genau und gab mir seine Visitenkarte mit der Telefonnummer und meinte ich könnte ihn anrufen, wenn ich bei ihm im Garten zelten will! Ich war total glücklich wieder so einen netten, hilfsbereiten Menschen kennengelernt zu haben.

Es war schon nachmittags und ich wollte mir was zu essen machen. Ich fand eine kleine Grünfläche mit Bäumen, und dort kochte ich mir dann meinen Couscous – mitten in Selfoss neben einem Verkehrskreisel und Leuten, die mich interessiert, belustigt oder auch gar nicht anschauten. Oft hab ich in Island an untypischen oder „verrückten“ Orten gekocht. Das machte mir gar nichts mehr aus.

Dann gings weiter die Ringstraße Richtung Osten. Ich wurde ein Stück von einem jungen Polen mitgenommen. Er erzählte, dass er bei einem Guesthouse arbeitet und die hätten am Tag zuvor Lasagne für die Gäste gemacht und es sein noch sehr viel über…ob ich denn was wolle?! Ich war natürlich sehr happy und packte mir was in meinen Topf. Außerdem bot er an, dass ich mich melden könne (über Facebook), wenn ich einen Schlafplatz brauchen sollte! D.h. ich hatte jetzt schon 3 Leute, die ich kontaktieren hätte können in dieser Umgebung, falls ich einen Schlafplatz brauchen sollte! Perfekt, denn im Süden von Island auf dieser Strecke der Ringstraße sind die meisten Touris unterwegs, d.h. wildcampen geht dann eher nicht (die meisten Touris, die nur einen Tag oder paar Tage in Island bleiben, fahren diese Strecke ab). Und auch deshalb perfekt, weil da im Süden ja gerne mal starker Wind ist. Dass ich da jetzt so 3 Kontakte hatte, ließ mich irgendwie sicher fühlen.

Abends erreichte ich dann den Seljalandsfoss. Das war der erste Wasserfall, den ich in Island gesehen hatte (und viele, gefühlt tausend Wasserfälle sollten noch folgen!). Das war in den aller ersten Tagen, da war ich mit den 3 super netten Mädels aus den USA dort… (mit einer hab ich sogar jetzt immer noch sporadisch Kontakt!). Damals waren nicht soo viele Leute da und vor allem hingen riesige Eiszapfen überall hinab. Jetzt waren seeehr viele Menschen dort – und alles um den Wasserfall war grün! Beides auf seine Weise wunderschön (bis auf die Menschenmengen). Jetzt war es sogar möglich, hinter den Wasserfall zu gehen! Im März wusste ich gar nicht, dass das möglich ist, denn alles war vereist, sodass man das gar nicht sehen konnte. Es war ein tolles Gefühl, hinter dem Wasserfall zu stehen! Dieser Lärm (aber irgendwie angenehmer Lärm) des Wassers, die Sonne, die man durch diese Wasserwand durchblinzeln sah…wow.

Seljalandsfosshinter dem Seljalandsfoss

Ein Stück weiter gibt es noch einen anderen, kleinere Wasserfall – Gljufrabui. Dort gibt es auch einen Campingplatz und ich überlegte mir, dort zu bleiben. Aber auf meiner Karte sah ich, dass es einen Weg gibt, wo man dann dort hingelangt, wo der Wasserfall von der Felskante hinunterfällt. Und dort wollte ich noch hin. Als ich dort war sah ich, dass dort ein kleines Wäldchen war - und sonst überhaupt keine Menschen… Und ein geiler Ausblick…mhhh…da konnte ich eigentlich nicht widerstehen ;) Also baute ich dort mein Nachtlager auf. Abends saß ich dann da…bei meinem Zelt…zwischen den Bäumen…die Abendsonne im Gesicht…es war warm (ich konnte nur in Fleecejacke dasitzen!!) und windstill…nur ein Rauschen des Windes durch die Bäume…und: Lasagne. Absoluter Hammer! Übrigens war es nur deshalb so windstill, weil ich so geschützt zwischen den Bäumen war. Denn eigentlich war es recht windig! Zum Glück boten die Bäume mir Schutz. Deswegen löste dieses Blätterrauschen so ein sicheres Gefühl in mir aus (nicht nur an dem Tag, sondern generell entwickelte ich diese Assoziation in meiner Islandzeit, dass dieses Rauschen des Windes durch die Bäume in mir so ein Sicherheitsgefühl auslöst, manchmal sogar jetzt immer noch!). Um halb 11 abends sah ich zu, wie die Sonne kurz davor war hinter den weit entfernten Bergen zu verschwinden. Aber bis die Sonne dann tatsächlich ganz weg gewesen wäre, hätte es noch mal einige Zeit gedauert, deshalb bin ich dann doch ins Bett. Zum Glück gibt es ja Schlafmasken ;)

Am nächsten Tag bin ich nochmal zu diesem kleineren Wasserfall, Gljufrabui. Denn der befindet sich in einer Art offenen Höhle oder so. Also nach oben hin offen, wo das Wasser runterkommt, aber rundherum Felsmauern, bis auf einen schmalen Spalt, durch den man von außen reinkommt. Das war beeindruckend da drinnen!

An einem anderen Tag machte ich eine kleine Wanderung durchs Reykjadalur – das „Rauch-Tal“. Das heißt nicht ohne Grund so, denn dort dampft es immer wieder aus verschiedenen Stellen in den Bergen durch die starke geothermische Aktivität dort. Durch das kleine Tal fließt ein Fluss und weil der an einer Stelle viel weiter oben am Flusslauf mit einer heißen Quelle zusammenfließt, hat der Fluss dort, wo die Wanderung entlang geht, eine angenehm warme Temperatur! An einer Stelle darf man sogar baden - das hab ich aber nicht gemacht, da es schon ein bisschen spät war. Die Atmosphäre in dem Tal war auf jeden Fall der Hammer. Vom Fluss und anderen Stellen stieg Dampf auf, und die Wolken hingen an dem Tag sehr niedrig…das ließ den Ort sehr mystisch wirken.

ReykjadalurReykjadalur

 

An dem Abend wollte ich bei dem netten Isländer anrufen, der mir seine Visitenkarte mit der Telefonnummer gegeben hatte (der 15min von Selfoss entfernt wohnt), ob ich bei ihm im Garten zelten darf, so wie er es mir ja angeboten hatte. Aber als ich ihn erreichte, war der ganz komisch, so als hätte er das nie vorgeschlagen und als wüsste er davon gar nichts. Ich hatte sogar extra nachgefragt, ob er sich an mich erinnert (das war nur ein Tag her gewesen). Das war dann natürlich blöd, weil ich mich fast schon darauf eingestellt hatte, dort bleiben zu können. Also musste ich meinen Plan spontan ändern, das ist ja keine Seltenheit auf Reisen. Ich sprach beim Parkplatz vom Reykjadalur (dort ist es auch recht touristisch) Leute an, ob sie mich mitnehmen könnten und wurde dann auch recht bald mitgenommen und fuhr dann einfach dahin mit, wo die hinfuhren. Nämlich zum Geysir, Teil des „golden circle“.

Der „golden circle“ deckt 3 spannende Orte ab, die man innerhalb eines Tages von Reykjavík aus gut schaffen kann. Auch viele Reisebusunternehmen bieten da Touren an, deswegen ist es keine Seltenheit, wenn an diesen Plätzen regelmäßig ein großer Reisebus ankommt und einige Leute ausspuckt (nichts gegen Asiaten, aber es sind nun mal meistens Asiaten). Naja, jedenfalls gehört zum golden circle der Geysir namens Geysir. Ich blieb für diese Nacht auf einem Campingplatz und konnte so am nächsten Tag früh genug hin, bevor der erste Ansturm kam. Im Geothermalpark findet man viele brodelnde und blubbernde Schlammlöcher und zwei Geysire. Der eine große bekannte bricht nur selten aus. Sein kleiner Bruder Strokkur dagegen alle 10 Minuten. Das war schon cool. Nicht weit vom Geysir entfernt ist der Wasserfall Gullfoss. Ein enormer Wasserfall mit einer wahnsinnigen Macht. Da ich ja nur sehr begrenzt Bilder hier hochladen kann (nur 100!!!), würde ich an dieser Stelle einfach mal auf Google verweisen, um Bilder vom Gullfoss anzuschauen.

Und zuletzt gehört zum golden circle noch der pingvellir Nationalpark. Der liegt geologisch gesehen in einer Grabenbruchzone. Dort driften die eurasische und amerikanische Platte auseinander, und das sieht man auch an der Oberfläche sozusagen. Dort entstand nämlich über die Jahrtausende eine kleine Schlucht (Almannagjá). Die wird jedes Jahr 4cm breiter! Es ist auch kulturell und historisch gesehen ein sehr wichtiger Ort. Denn schon um 930 n.Chr., am Ende der Landnahme durch norwegische Wikinger, wurde dort jährlich die traditionelle Versammlung Alping abgehalten, die sowohl gesetzgeberische als auch gerichtliche Funktionen hatte. Dort wurde z.B. im Jahr 1000 beschlossen, das Christentum anzunehmen. Man kann also sagen, dass es sich um eines der ältesten Parlamente der Welt handelt. Das Alping bestand bis 1798, bis die Dänen es auflösten.

Ich brachte meinen Rucksack erstmal zum Infocenter, weil ich ihn nicht die ganze Zeit herumschleppen wollte, zum Glück durfte ich ihn dort lassen. Danach fühlte sich das Gehen immer an wie fliegen, so ganz ohne Gewicht am Rücken!

Dort traf ich zufälligerweise die Leute, die mich am Vortag abends vom Reykjadalur zum Geysir gefahren hatten! Das ist mir ein paar Mal passiert, dass ich Leute irgendwo anders wieder zufällig wieder getroffen hab, das war dann immer so ein kleines Highlight für mich, worüber ich mich gefreut hab.

Irgendwie fand ich es faszinierend, so durch diese Schlucht zu laufen und zu wissen, dass sie immer breiter werden wird und dass dort auf dem Boden auch schon die Wikinger entlanggelaufen waren… Für die Game of Throne (Serie) Fans: dort wurde auch gedreht (wie auch an vielen anderen Orten Islands), hab die Stelle wiedererkannt, das find ich natürlich auch ganz cool. (Auch hier: wen es interessiert, wie es dort ausschaut --> google)

Der Süden Islands, vor allem der golden circle, das sind zwar wirklich tolle Orte, aber natürlich voll mit Menschen. Die muss man einfach versuchen auszublenden und sich auf das Naturschauspiel konzentrieren.

Abends stand ich dann wieder an der Straße, aber der Verkehr ging hauptsächlich in Richtung Reykjavík, wo ich aber nicht hinwollte. Ich war müde und erschöpft und hatte keine Lust mehr zu warten. Da sah ich etwas entfernt eine Farm und beschloss das Risiko einzugehen dorthin zu latschen um zu fragen, ob ich dort in der Umgebung mein Zelt aufstellen dürfte. Und zum Glück zeigte sie mir einen Platz, wo ich hindurfte. Man, war ich erleichtert und dankbar für diese Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft!

Leonie