25August
2018

Abenteuerwanderung

Jetzt bin ich schon wieder seit einem Monat zurück aus Island...verrückt, wie schnell die Zeit schon wieder vergangenen ist! Ich habe mich wieder ganz gut eingelebt und genieße vor allem den Sommer und die Sonne.
Es gibt eigentlich so viel zu erzählen, was ich noch im Juni und Juli erlebt habe, das würde den Rahmen für einen Blogeintrag wahrscheinlich sprengen... deswegen werde ich einfach mehrere kürzere schreiben.

Also gut... ein paar Tage, bevor ich zur Schaffarm fuhr, wurde ich einmal beim Trampen von einem deutschen Mädel in meinem Alter mitgenommen. Sie heißt Melissa und wir haben uns gleich ganz gut verstanden. Sie war mit dem Auto unterwegs, welches sie von ihrer Farm ausleihen konnte, auf der sie arbeitete. Wir blieben in Kontakt und Ende Mai schrieb sie mir, dass sie ein paar Tage frei bekommen würde und so beschlossen wir, zusammen die Westfjorde zu erkunden, diesmal gemeinsam per Anhalter. Ich wohnte ja zu der Zeit im Süden der Westfjorde, deshalb trampte sie dann erst zu mir und wir zogen dann zusammen weiter.

In meinem Reiseführer stand, dass es eine Wanderung vom Rauðasandur zum Látrabjarg gibt, allerdings stand nichts Genaueres drin und auch im Internet konnte ich kaum etwas zu dieser Wanderung finden. Aber ich wollte sie irgendwie unbedingt machen und dachte mir, das muss schon gehen, sonst wäre es ja nicht im Reiseführer erwähnt.

Doddi fuhr uns zum Rauðasandur, ein gelb-orangener langer Sandstrand mit einem roten Farbstich, deswegen heißt der auch übersetzt "roter Strand". Wunderschön! Ich war traurig, als ich mich von Doddi (und Silja vorher) verabschieden musste, ich hatte mich sehr wohl bei ihnen gefühlt, ihrer Familie zugehörig. Ja, auch wie ein Teil der größeren Familie, also Doddis Brüder und Familien. Sie alle haben mir das Gefühl gegeben dazu zugehören. Doddi schenkte mir sogar 2 getrocknete Fische! Diese sind, wenn sie getrocknet sind, richtig harte "Stäbe", deswegen kann man sie auch nicht einfach so essen. Man muss den Fisch mit einem Stein bearbeiten, damit man ihn in kleine Stücke brechen und essen kann.

Doddi ließ uns am Ende der Straße beim Rauðasandur raus, dort liegt noch eine Farm und ab da geht die Wanderung los, die natürlich nicht beschrieben war... Neben der Farm war noch ein kleines süßes Haus, im Garten arbeitete ein älterer Mann. Wir grüßten ihn und Melissa und ich erzählten, dass wir zum Látrabjarg wandern wollten. Er erklärte uns mit ein paar Brocken Englisch, wie wir gehen müssten und so marschierten wir los. Eigentlich konnte man auch gar nicht falsch gehen, denn links war das Meer, rechts die Bergkette und wir mussten einfach nur gerade aus gehen, am Strand entlang. Eine wirklich fantastische Strecke!

Nach einer Weile erreichten wir das "summerhouse", von dem der ältere Isländer gesprochen hatte. Viele Isländer besitzen solche Sommerhäuser, also kleine Ferienhäuser, in denen sie die Sommermonate verbringen. Da es aber erst Ende Mai war, war der Sommerwohnsitz noch nicht bewohnt (zu diesem führte übrigens keine Straße, man kann hier nur mit einem Jeep den Strand entlangfahren).
Das Haus liegt direkt am Beginn eines steilen Berghangs, den wir erklimmen sollten. Das hatte uns der Isländer so gesagt. Allerdings konnte er, wie gesagt, nicht so gut Englisch, sodass wir uns nicht zu 100% sicher waren, ihn richtig verstanden zu haben. Denn es war recht steil und der Boden bestand fast nur aus lockerem Geröll. Ich hätte es trotzdem probieren wollen, ich bin ja schon ein paar Mal auf so einem Untergrund gelaufen. Melissa aber war es nicht so geheuer, vor allem, weil sie auch Höhenangst hat. Sie schlug vor, dass wir versuchen sollten, unten am Strand weiter zu gehen. Denn wir konnten schon die nächste etwas größere Bucht sehen, zu der wir mussten.


Allerdings gab es nun keinen Sandstrand mehr, sondern nur noch einen relativ schmalen Streifen Steinküste. Dort fingen wir an entlang zu gehen - die Steine hatten gerade so eine Größe, dass es mir schwerfiel, mit dem schweren Rucksack die Balance zu halten (der war zu dem Zeitpunkt ca. 25 Kilo schwer, da ich zusätzlich auch noch Melissas Zelt außen befestigt hatte). Deswegen kamen wir auch nur langsam voran. Nach einiger Zeit wurden wir immer unsicherer, ob wir wirklich weiter gehen sollten, denn die Bucht war doch weiter weg als gedacht und außerdem sahen wir irgendwann, dass es kurz vor der Bucht so eine Art Klippe gab und wir wussten natürlich nicht, ob wir daran vorbeikommen würden. Ein paar Mal entschieden wir uns dazu, noch etwas weiter zu gehen, weil wir uns dachten, "sonst sind wir den beschissenen Weg umsonst gegangen". Aber nach insgesamt 1,5 Stunden oder so beschlossen wir doch, dass es vielleicht sinnvoller wäre, umzudrehen und beim Sommerhaus den steilen Hang rauf zu gehen und die Strecke zur Bucht quasi oberhalb zu gehen.
So gingen wir den ganzen beschwerlichen Weg über die Steine wieder zurück. Mittlerweile hatte es auch leicht zu regnen angefangen.
Doch plötzlich kamen wir nicht mehr weiter - die Flut hatte eingesetzt und versperrte uns den Weg weiter an der Steinküste entlang! Wir fingen an "obenrum" zu gehen, also den steilen Hang hoch, doch das Geröll war so locker und unser Gepäck so schwer, dass wir beschlossen, doch nicht diesen Weg zu nehmen. Und somit saßen wir fest. Wir setzten uns auf die Steine, ließen uns vom Regen berieseln und sahen zu, wie das Meer immer mehr die Steinküste in Beschlag nahm, wo wir vorher ja noch entlang gegangen waren. Ich fing an, wie ein Steinzeitmensch mit einem Stein auf dem getrockneten Fisch rumzuhauen…Es war tatsächlich der perfekte Snack in dieser Situation! Und es schmeckte sehr lecker!

tja, wir sitzen fest...getrockneter Fisch


Mit der Zeit kamen uns Bedenken, als uns klar wurde, dass wir noch mindestens 6 Stunden warten müssten, bis das Wasser so weit zurück gegangen ist, dass wir wieder die Steinküste entlang gehen könnten. Und uns wurde kälter... Wir hatten allerdings echt Glück, dass es nicht brutal windig war, denn Wind und Nässe sind ja bekanntlich nicht so ´ne gute Kombi. Ich hatte sogar kurz den Gedanken, dass wir vielleicht den Rettungshubschrauber rufen müssten, das wäre nicht nur sau teuer, sondern auch sehr peinlich. Irgendwann beschlossen wir, den Hang rauf zu klettern, in der Hoffnung ´ne kleine Stelle weiter oben zu finden, wo wir eines unserer Zelt aufbauen könnten. Tatsächlich fanden wir so eine kleine Stelle und bauten Melissas Wurfzelt auf - somit waren wir wenigstens vor der Nässe geschützt.

Wir lagen darin und versuchten zu dösen, aber das war fast unmöglich, da sich bei uns beiden die Gedanken immer wieder im Kreise drehten. Es war 6 Uhr abends, als wir uns in unsere „Schutzhöhle“ legten. Um halb 7 dachte ich mir, dass ich noch bis 7 warte und dann mal rausschauen könnte, ob die Flut schon auf dem Rückzug wäre. Nach einer Weile dachte ich, dass es fast 7 sein müsste, schaute auf die Uhr und stellte fest: es waren ernsthaft nur 5 Minuten vergangen. Die Zeit fühlte sich so ewig langsam an!! Endlich war es 7 Uhr und ich musste frustriert feststellen, dass die Flut immer noch nicht zurück gegangen war. Dann kletterte ich den steilen Geröllhang noch etwas weiter hoch, um zu schauen, ob wir vielleicht doch am Hang entlang gehen könnten zum Sommerhaus. Es sah zwar schon riskant aus, aber ich fand trotzdem, dass es machbar wäre. Außerdem war ich mir sicher, dass wir bestimmt noch bis Mitternacht warten müssten, bis wir wieder "untenrum" weiter gehen könnten. Es wird zwar in dieser Jahreszeit nicht mehr dunkel, aber trotzdem etwas dämmrig. Ich schlug Melissa meine Idee vor. Das Warten machte sie schon ein bisschen verrückt, deshalb stimmte sie zu, trotz ihrer Höhenangst.
Wir bauten unser kleines Lager wieder ab und machten uns auf den Weg. Der Weg am Hang entlang war wirklich nicht leicht zu gehen. Wir mussten extrem vorsichtig einen Fuß vor den nächsten setzen, nicht zu schnell, denn sonst würde man durch den Schwung den Hang runterrutschen. Das bedeutete, dass wir viel auf einem Bein balancieren mussten, um den zweiten Fuß langsam aufsetzen zu können.


Das war ziemlich anstrengend, vor allem nach dem langen Tag und mit dem schweren Gepäck! Für die Beine war es eigentlich wie nach ´nem harten Workout - bei einem normalen Training hätte ich inzwischen den Punkt "ich kann nicht mehr, ich hab keine Kraft mehr in den Beinen" erreicht. Aber komischerweise spürte ich die Anstrengung gar nicht so. Wir hatten ja in dem Moment keine andere Möglichkeit als einfach weiter zu gehen. Schon faszinierend, wozu der Körper fähig ist, wenn er halt muss. Außerdem war ich auch komischerweise sehr ruhig innerlich, als wir den Hang entlang balancierten. Angespannt natürlich auch, aber dadurch, dass ich mich so konzentrieren musste, keinen falschen Schritt zu machen, eben auch sehr ruhig. Das war natürlich auch gut so! Nach einer gefühlten Ewigkeit kamen wir endlich am Sommerhaus an - wir umarmten uns und waren SO erleichtert! Und stolz, dass wir es geschafft hatten. Ein gemeinsames Abenteuer, das uns immer verbinden wird!
Wir bauten unsere Zelte am Sommerhaus auf und verbrachten dort die Nacht. Am nächsten Tag erwachten wir bei strahlend blauem Himmel und Sonnenschein, ein Traumwetter! Der Blick von dort war auch unschlagbar. Ich schaute nochmal zum Hang, der hinter dem Haus rauf geht und konnte nun sogar ganz leicht etwas erkennen, das aussah wie ein kleiner Pfad. Aber Melissa wollte lieber zurück zum Rauðasandur, wo wir am Vortag gestartet waren.

das summerhouse


Gegen 11 Uhr kamen wir wieder an dem kleinen Haus von dem älteren Isländer vorbei. Wir erzählten, dass wir den Weg nicht gefunden hatten und nun wieder umgedreht waren. Er lud uns dann zu Kaffee und Kuchen ein, und so verbrachten wir ein bisschen Zeit mit ihm (Gunnar) und seiner Frau (Linda). Die waren so lieb und gastfreundlich und erzählten uns dies & das, soweit es ihr Englisch zuließ. Am Ende schenkte Gunnar uns beiden je eine "Haarnadel" aus Knochen und steckte diese in unsere Zöpfe. Wir freuten uns riesig über dieses persönliche Geschenk - und Andenken an unser Abenteuer. Ich liebe solche zufälligen schönen Begegnungen mit so liebenswerten Menschen. Vor allem mit den Einheimischen, das ist dann noch mal eine andere Art, das Land zu erfahren, in dem man eine Weile lebt...mehr als "nur Tourist" sein. Deshalb bin ich eigentlich auch wiederum froh, dass unser Vorhaben zum Látrabjarg zu wandern, nicht geklappt hat, denn sonst hätten wir Gunnar und Linda und deren Gastfreundlichkeit nicht kennengelernt.

Dann machten wir uns weiter auf den Weg, wir wollten noch irgendwie zum Látrabjarg gelangen an diesem Tag, wenn es schon mit dem Hinwandern nicht geklappt hatte.  Aber darüber schreib ich dann im nächsten Eintrag weiter. :)

Leonie