02Juni
2020

Die einsame Straße Richtung Norden

Vom 20. auf den 21. Juni ist ja die Mitternachtssonne in Island. Wobei schon eigentlich im ganzen Juni mitternachts noch die Sonne scheint. Aber am 20. Juni hat der Tag die meisten Sonnenstunden und ab dann gewinnt Stück für Stück wieder die Nacht die Oberhand. Im Internet wurde empfohlen, dass man sich in dieser Nacht im Westen Islands aufhalten sollte, an einem Ort wo keine Berge oder so im Weg sind, sondern wo man Blick auf das Meer und den Horizont hat, dort wo die Sonne verschwindet. Denn es hieß, dass die Sonne dann nur etwas hinter dem Horizont verschwindet, um dann direkt wieder aufzugehen! Das wollte ich auf jeden Fall erleben und es war mein Plan, in diesem Zeitraum in den Westfjorden zu sein und davor noch Silja und Doddi auf der Schaffarm zu besuchen.

Es waren noch etwa 5 Tage bis ich bei der Schaffarm sein wollte und ich beschloss noch mal ein paar Orte auf der Halbinsel Snaefellsnes zu besuchen. Dort war ich ja schon Ende April, nach dem ich bei Dagnys Familie war und bevor ich bei Silja und Doddi wohnte. Weil der Winter aber damals nochmal bisschen eingebrochen war, hatte ich ein paar Orte ausgelassen, dich ich aber noch gerne sehen wollte, und das holte ich jetzt nach:

  • Kleine Wanderung zum Krater Eldborg
  • Basaltsäulen „Gedurberg“
  • Kleine Küstenwanderung zwischen Anarstapi und Hellnar
  • Wasserfall Kirkjufellfoss, da war ich im April schon gewesen aber wollte noch mal die „Sommeredition“ sehen

In Borgarnes hatte ich so meine „homebase“. Ich campte an einer versteckten Stelle, etwa eine Stunde Fußweg von Borgarnes entfernt. Dort war ich schon mal gewesen und das war einfach ein super Ort, an den ich immer wieder zurückkehren konnte (auch noch mal gegen Ende meiner Island Zeit). Außerdem verbrachte ich viele Stunden in der N1 Tankstelle, wenn es z.B. regnete. Ich liebte diese Tankstelle, denn dort gab es einen Platz – mein Stammplatz – mit einem Tisch direkt an einer Steckdose! Außerdem gab es pro Tag 4 Stunden kostenloses Wlan. Ich hab mich da irgendwie voll wohl gefühlt!

Eine Nacht habe ich aber noch an einem Ort verbracht, an dem ich im April auch schon war, als noch Schnee lag. Es ist schwer zu beschreiben, welchen Ort ich meine, da es keine Touristenattraktion oder so ist. Es ist relativ abseits gelegen und man trifft dort kaum auf Leute.

Jedenfalls bin ich wieder diesen Weg gegangen, nur jetzt mit einer wunderbar grünen Umgebung! Das war auch wirklich sehr schön, wobei ich von der „winter edition“ etwas mehr angetan war, mit dem Schnee wirkte alles so verzaubert…
Ein kleiner Weg führte mich dann zwischen dem Lavafeld hindurch und dahinter breitete sich eine große Wiese aus. Ich war dort komplett allein. Es gab einen Bach. Perfekt zum wildcampen.

Nach ein paar eher entspannten Tagen auf der Halbinsel Snaefellsnes machte ich mich dann wieder auf den Weg in die Westfjorde, um Silja und Doddi zu besuchen.  
Davor kam aber dann noch mal eine kleine überraschende Planänderung, dazu muss ich aber kurz ausholen. Und zwar gibt es im Norden der Westfjorde startend von Holmavík, der „größeren“ Stadt der Umgebung, eine Straße, die noch weiter nach Norden führt und dann auch irgendwann nach hundert Kilometern aufhört. Die Strecke geht entlang der Strandir Küste, die in meinem Reiseführer als dünn besiedelte, einsame Region beschrieben wurde. Perfekt für mich! Ich wollte wirklich gerne diese Strecke entlang fahren, jedoch dachte ich mir, dass ja sowieso kaum einer da lang fährt, außer die paar Leute, die dort wohnen. Und dann die Chance mitgenommen zu werden und auch wieder rechtzeitig zurückzukommen (rechtzeitig für die Mitternachtssonne), schätzte ich als nicht sehr groß ein und hatte diese Ecke für mich eigentlich schon abgehakt.
Dann war ich jedenfalls auf dem Weg zu Silja und Doddi und erfuhr dann irgendwann von meinem „Fahrer“, dass er genau diese Strecke entlangfahren wird zu dem kleinen Ort Nordurfjördur ganz am Ende der Strecke! Das kam total unerwartet und spontan beschloss ich mich, mit ihm mitzukommen!

Gudjon war sehr nett und erzählte viel. Er lebt eigentlich in Reykjavík, aber er arbeitet als Fischer und verbringt immer ein paar Tage in der Woche dort auf seinem kleinen Fischerboot.
Die Fahrt war wirklich sehr schön, auch wenn es leider regnete und die Wolken relativ tief standen. Ich war trotzdem total begeistert. Ein Stück „wildes Island“.

Nachmittags kamen wir an. Ich ging aufs Klo und als ich zurück zu seinem Auto kam (hatte meinen Rucksack noch dort), redete er gerade mit einem anderen Mann. Nach einer Weile (ich wollte ja nicht unterbrechen und auch nicht einfach gehen), sagte Gudjon zu mir, dass ich 3 Möglichkeiten habe, wo ich schlafen könnte. Entweder bei ihm im Boot, bei seinem Kumpel Gudlaugur zu Hause oder auf dem Campingplatz. Ich war total sprachlos und etwas überrumpelt mit den Angeboten, damit hatte ich ja überhaupt nicht gerechnet! Das Boot war ziemlich klein und ich wollte nicht so lange im engen Raum sein mit Gudjon, so nett er auch war, und es regnete ziemlich stark, weshalb ich auch nicht so scharf darauf war mein Zelt aufzubauen und entschied mich dann, mit Gudlaugur mitzukommen, der sich darüber freute weil er gerne Gäste hat. Ich war so überwältigt, dass ich gar nicht wusste, wie ich meine Dankbarkeit in Worten ausdrücken sollte. Ich meine, er kannte mich ja eigentlich gar nicht!

Er lebt mit seinem alten Vater zusammen, dessen Schaffarm er übernommen hat. Er gab mir auch eine kleine Führung über seinen Hof. Ich durfte im Zimmer seiner Kinder schlafen, die gerade nicht da waren.

Ich ging dann noch mal zum kleinen Hafen zu Gudjon, weil ich mich noch mal bei ihm bedanken wollte und auch gerne sein Boot sehen wollte. Promt lud er mich zu einem Mikrowellenfertigessen ein und obwohl ich dankend verneinte bestand er darauf, dass ich es annehme. Wow, was für unfassbar hilfsbereite Menschen ich immer wieder kennenlernen durfte! Wir unterhielten uns viel, ich glaube er war einfach froh, etwas Gesellschaft zu haben. Schließlich verbringt er ja auch 4 Tage die Woche allein im Boot auf dem Wasser!
Und es ging noch weiter! Abends wollte ich mir eigentlich mein Essen kochen aber Gudlaugur wollte unbedingt, dass mitkomme in das kleine Café, das es dort gibt. Dort aßen wir dann mit Freunden von ihm zu Abend und obwohl ich mich wehrte, lud er mich ein. Es war sehr nett dort, auch wenn ich hauptsächlich nur dabei saß und zuhörte wie die anderen plapperten und plapperten, ohne etwas zu verstehen. Eine Frau hatte ihre ca. 10jährige Tochter dabei, das ist das einzige Kind, das in der Gegend lebt! Die Schule wurde auch geschlossen, weil nur noch sie übrig war. Schon krass!
Ich freue mich auf jeden Fall immer, wenn ich so bei den „locals“ dabei sein darf und auch gleich so aufgenommen werde, dann fühl ich mich auch nicht so sehr als Touri.

Ein paar Kilometer entfernt gibt es ein kleines Schwimmbad, Krossneslaug (natürlich mit natürlich warmen Wasser) und alle meinten, dass ich da unbedingt noch hin müsste. Also fuhren wir noch um fast Mitternacht dort hin – es war ja noch hell – und ich genoss das warme Wasser mit Blick auf das Meer. Mega!

um Mitternachtmitternachts

Am nächsten Tag startete ich vormittags meine Tagesreise zu Silja und Doddi. Ich war erstmal einfach am Strand und genoss die Sonne, die den Regen und die Wolken vom Tag davor verdrängt hatte, denn es kam eh noch kein Auto. Ich stellte mich auf eine lange Wartezeit ein, musste aber dann erstaunlicherweise doch nur ne dreiviertel Stunde warten!
Auf der Rückfahrt die Strandir Küste entlang war ich noch mal mehr von den Socken, als bei der Hinfahrt, da ja jetzt auch noch das Wetter toll war. Was für dramatische Berge, steile Abhänge, Spitzen, Felsen, Fjorde und Buchten! Das ist definitiv eine meiner Lieblingsorte-/Strecken in Island! Vor allem, dass es eine so verlassene Gegen ist, macht es für mich nochmal besonderer!

ab Juni muss man immer mit Schafen auf den Straßen rechnen

Leonie